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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Bibliothekar und Geschichtsschreiber des Bergfrieds. Wenn der Junge erst einmal ein Alter erreicht hat, in dem er begreifen kann, was sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt, glaubst du dann wirklich, du kannst seinen Großvater davon abhalten, ihn in die Bibliothek zu zerren und ihm alles zu zeigen, was sie ihm zu bieten hat? Und wenn wir schon einmal dabei sind, meinst du wirklich, du kannst mich davon abhalten, Daemonar Bücher zu kaufen und Geschichten vorzulesen und ihm auf diese Weise die andere Seite seiner Ausbildung zu ermöglichen?«
    Lucivar neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. »Die andere Seite?«
    » Man steht auf einem Berg und schmeckt den Wind . So hast du mal versucht, mir das Leben als Eyrier zu erklären. Und du begreifst in dem Moment mehr von all dem, was dich umgibt, als ich je wissen werde. Ich kann Daemonar etwas über Bücher erzählen, aber du bist der Einzige, der ihm das beibringen kann.«
    Lucivar ließ sich die Worte durch den Kopf gehen und nickte schließlich. Dann trat er einen Schritt zurück und wandte sich der Tür zu. »Warum genehmigen wir uns nicht den Drink, von dem wir gesprochen haben?«

    »Dieses Miststück ist nun schon viele Jahrhunderte tot. Wenn du zulässt, dass sie dich weiter trifft, hast du es verdient, verletzt zu werden.«
    Verdammt. Das hatte er nicht sagen wollen. Er hatte nicht vorgehabt, diese Erinnerung zu teilen. Doch er sah mit an, wie Lucivar sich ihm wieder zuwandte. Sah den Blick in den Augen seines Bruders, der nach einer Erklärung verlangte.
    »Du bist noch nie gut im Lesen gewesen«, sagte Daemon. Nein. Das war kein glücklicher Anfang. »Ich habe nur wenig Erinnerungen an meine Kindheit, bevor ich bei Dorothea lebte. Den Großteil meines Lebens habe ich mich nicht an viel erinnern können. Aber jetzt geschieht es manchmal … Es ist oft mehr die Erinnerung an ein bestimmtes Gefühl, die den Rest wieder hochsteigen lässt.«
    Lucivar sagte nichts, sondern nickte nur.
    »Ich kann mich daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, von Vater umarmt zu werden. Ich kann mich an seine Stimme erinnern, ihren Rhythmus, wenn er eine Geschichte vorgelesen hat.« Daemon hielt inne, um die Bilderflut zu ordnen, die auf ihn einstürmte. »Du warst nicht gut im Lesen, aber du hast eine Geschichte aufgesogen wie ein Schwamm, wenn jemand sie dir vorgelesen oder erzählt hat. Du hast dich an alle möglichen Dinge erinnern können, hast alle möglichen Dinge in der Geschichte gesehen.«
    »Und vermutlich habe ich alles als Kampf interpretiert.«
    »Natürlich. Du bist eyrisch.« Daemon zuckte mit den Schultern. »Es gab da eine Lehrerin. Ich entsinne mich nicht, wie sie hieß und kann mich nicht an ihr Gesicht erinnern. Ich glaube, sie hat mich unterrichtet, aber du bist auch oft da gewesen. Sie hat dich immer gepiesackt. Nicht körperlich, aber sie hat dir deutlich zu verstehen gegeben, dass du nur ihre Zeit verschwendest.
    »Eines Tages hat sie uns als Hausaufgabe gegeben, eine Geschichte zu lesen. Eine Herausforderung für mich; für dich ein unmögliches Unterfangen. Sie hat es getan, damit du dich schlecht fühlst. Und dir war so elend zumute, weil du sie nicht lesen konntest.

    »Du musst bis zur nächsten Stunde nach Hause gegangen sein, denn ich kann mich nicht erinnern, dass du da gewesen wärest, als Vater am Abend kam. Ich bat ihn, mir die Geschichte vorzulesen, anstatt des nächsten Kapitels meines Gutenachtbuches. Zuerst weigerte er sich, weil es meine Hausaufgabe war, und ich sie selbst lesen sollte. Ich flehte ihn an, also gab er nach und las sie mir vor. Aber als ich ihn bat, sie mir ein drittes Mal vorzulesen, wollte er wissen, warum.«
    »Warum hast du ihn mehr als einmal darum gebeten?«, fragte Lucivar. »Du hättest die Geschichte gleich beim ersten Mal kapiert.«
    Daemon blickte zu Boden. »Mir lag an seinem Tonfall, seinem Rhythmus, seiner Aussprache der einzelnen Wörter.« Er sah auf. »Ich wollte dir die Geschichte vor dem Unterricht vorlesen, und ich wollte sie so vorlesen, wie er sie vorlas.«
    Nun blickte Lucivar zu Boden.
    »Kleine Flunkereien ließ Vater uns normalerweise durchgehen, aber er ließ nicht zu, dass wir ihn belogen«, sagte Daemon. »Und er hat es immer gewusst, wenn wir es versucht haben. Also musste ich ihm sagen, warum ich die Geschichte so gut kennen lernen musste. Und ich habe ihm erzählt, dass die Lehrerin gemein zu dir war, weil du eyrisch bist und nicht so gut lesen konntest wie ich. Er hat nichts

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