Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
gesagt.«
Lucivar fluchte leise. »Wenn er nichts sagt, ist es am schlimmsten.«
Daemon nickte. »Er hat die Geschichte wieder und wieder gelesen, dann hat er sie mich vorlesen lassen und hat mit mir geübt, bis ich zufrieden war.«
»Ich glaube, an den Teil kann ich mich noch erinnern.« Lucivar klang, als sei ihm ein wenig unbehaglich zumute. Er starrte ins Leere. »Du hast mich vor dem Unterricht abgefangen und hast mir die Geschichte vorgelesen. Und die Lehrerin war wütend, weil ich ihre Fragen zur Handlung der Geschichte beantworten konnte.«
»Jenes letzte Mal ließ er sie zurückkommen, weil wir vorbereitet waren, ihr auf dem Schlachtfeld entgegenzutreten. Doch in der nächsten Stunde hatten wir eine andere Lehrerin.«
Sie starrten einander an. Prinz der Dunkelheit. Höllenfürst. Mittlerweile kannten sie den Mann so gut, dass keiner von beiden darüber spekulieren wollte, noch nicht einmal unter vier Augen, was der Hexe zugestoßen sein mochte, die dumm genug gewesen war, einem Kind Saetans wehzutun.
»Wie wäre es jetzt mit dem Drink, Bastard? Dann kannst du mir alles über dieses Spukhaus erzählen.«
Daemon stieß sich vom Schreibtisch ab und trat zu Lucivar an die Tür. »Hat Marian denn nichts darüber gesagt?«
»Marian war zu aufgebracht über irgendwelche Spinnweben, als dass ich mich vernünftig mit ihr hätte unterhalten können. Beim Feuer der Hölle! Wenn sie das nächste Mal derart aus der Fassung gerät, schleppe ich dich in den Horst, damit du dich mit ihr herumschlagen kannst.«
»Nimm lieber Falonar«, erwiderte Daemon. »Er hat immer noch einen Denkzettel verdient, weil er Surreals Herz gebrochen hat.«
»Kommt nicht in Frage. Marian würde sich wahrscheinlich im Zaum halten und höflich sein, weil er nicht zur Familie gehört.« Lucivar schenkte Daemon ein boshaftes Lächeln. »Ich lasse den Hurensohn einfach einen Nachmittag lang auf Daemonar aufpassen.«
Ihre Körper berührten sich kurz. Eine Schulter streifte die andere.
»Du hast etwas Niederträchtiges an dir, Bruder«, sagte Daemon und öffnete die Tür. »Das gefällt mir.«
Lucivar schlüpfte ins Bett und kuschelte sich an Marian. Er war entspannter, als er den gesamten Tag über gewesen war. Betrunken war er nicht. Ganz und gar nicht. Doch er hoffte dennoch, dass ihr der Sinn nicht nach mehr als ein wenig Kuscheln stand.
Marian rührte sich. Gab ein schläfriges Seufzen von sich. »Du bist zu Hause.«
Er streifte ihre Wange mit den Lippen. »Ja. Es ist spät, mein Schatz. Schlaf jetzt.«
Sie bewegte sich ein wenig und schmiegte sich enger an ihn. »Dein Vater ist vorbeigekommen, kurz nachdem du weggegangen bist.«
So viel zum Thema Zufriedenheit. »Warum?«
»Ich glaube, er wollte mit dir sprechen, aber es hat ihn nicht überrascht, dass du zur Burg aufgebrochen warst, um Daemon zu besuchen.«
Hätte er damit rechnen sollen, dass Saetan auftauchen würde? Vielleicht. Aber es gab Dinge, die er einem Bruder anvertrauen konnte, den er seit Jahrhunderten kannte, nicht aber einem Vater, dessen Bekanntschaft er erst vor neun Jahren gemacht hatte.
»Saetan hat Daemonar den ganzen Abend lang Geschichten vorgelesen. Er hat eine wunderbare Erzählstimme. Ich glaube, sie haben beinahe jedes Märchenbuch durchgelesen, das wir besitzen. Auf der Hälfte des letzten Bandes ist Daemonar eingeschlafen.«
Lucivar lächelte. »Das hat dir also eine kleine Verschnaufpause verschafft.«
Ihre Atmung veränderte sich, und ihr Körper war nicht länger schläfrig, sondern hellwach.
»Bevor er aufgebrochen ist, hat er etwas Interessantes gesagt.«
»Er sagt die ganze Zeit über interessante Dinge.«
Keinerlei Belustigung. Aber ihr Körper zeigte ihm, dass sie nicht wütend war, und dass er sich keine Sorgen machen musste. Doch er wünschte sich, es wäre ein wenig heller in dem Zimmer, damit er ihr Gesicht sehen könnte.
»Er hat gesagt, Kinder seien nicht die Einzigen, die gerne einer Geschichte lauschen.«
Er verspannte sich. Konnte die Reaktion seines Körpers auf diese Worte nicht unterbinden. Sein Vater mochte interessante
Dinge sagen, aber manchmal redete der Mann verdammt noch mal zu viel!
»Niemand in meiner Familie hat Wert auf das Lesen gelegt«, sagte Marian. »Selbst wenn ich mir ein Buch als Geschenk gewünscht habe, wurde es als hinausgeworfenes Geld betrachtet. Deshalb war ich erleichtert, dass du so nachsichtig bist und mich Bücher kaufen lässt und mir gestattest, am Abend meine Zeit lesend zu
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