Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
Mist geschickt? Wenn Jhinka ein Dorf in Ebon Rih – oder sonst einem Teil von Askavi – angriffen, wollte er es erfahren, weil er sich dann in den Blutrausch begeben würde, um sich der Sache anzunehmen. Aber wozu im Namen der Hölle brauchte er fünf eng beschriebene Seiten vom Haushofmeister irgendeiner Königin, die ihn davon in Kenntnis setzen sollten, dass alles in Ordnung war? Und wenn er sich schon durch diesen Wortsalat kämpfen musste, warum konnte der Narr, der ihn fabriziert hatte, nicht wenigstens die Höflichkeit besitzen, leserlich zu schreiben?
Der Dunkelheit sei Dank, dass Daemon sich um die gesamten Familiengeschäfte kümmerte. Aus Gründen, die ihm immer schleierhaft gewesen waren, mochte Daemon Papierkram.
Es machte ihm nichts aus, sich zweimal im Monat zu treffen, um den Zustand der Besitzungen und das Kapital der Familie SaDiablo zu besprechen. Diese Treffen waren notwendig, und das dhemlanische Anwesen, das Teil seines Erbes war, und die Menschen, die auf dem Land arbeiteten, lagen in seinem Verantwortungsbereich. Doch Daemon ließ ihn nicht stapelweise verfluchte Papiere lesen, nur um ihn wissen zu lassen, alles sei in Ordnung.
Normalerweise verglich er die Schreibarbeit, die für den Kriegerprinzen von Ebon Rih anfiel, mit einem angestoßenen Zeh: Man biss einfach die Zähne zusammen und bahnte
sich humpelnd einen Weg. Doch heute regnete es, Marian war nicht da, und Daemonar und ein Wolfsjunges vertrieben sich die Zeit damit, indem sie im Zimmer nebenan viel Lärm verursachten. Im Sommer hätte er dem Jungen die Kleider ausgezogen und hätte die beiden aus dem Haus geworfen, wobei er sich gedacht hätte, dass ein bisschen Wasser den beiden gewiss nicht schaden konnte – solange es ihm gelang, den Jungen und den Welpen sauber und trocken zu bekommen, bevor ihre Mütter heimkehrten. Doch es war ein kühler Herbsttag und ein kalter Regen fiel. Ihm blieb also nichts übrig als die Schreibarbeit und den Lärm zu ertragen und …
Klopf, klopf, klopf.
»Ich mach auf!«, rief Daemonar, erhob sich in Windeseile und rannte auf die Tür zu. »Ich mach auf!«
Aber sicher doch, Junge , dachte Lucivar, während er sich vom Küchentisch abstieß. Sobald du groß genug bist, um den Riegel zu erreichen – und die zusätzlichen Schlösser.
Er machte sich das Leben einfacher, indem er den Jungen und den Welpen mit einem Schutzschild umgab, das sie davon abhielt, durch die Tür zu stürmen, sobald er sie öffnete.
Der dhemlanische Jüngling an der Tür war ein Krieger, der Aquamarin. Er war in eine Botenuniform gekleidet.
»Ich habe eine Eilzustellung für Prinz Lucivar Yaslana«, sagte der Krieger und hielt einen cremefarbenen Briefumschlag empor.
Als Lucivar nach dem Umschlag griff, erschuf er mithilfe der Kunst einen hautengen roten Schutzschild um seine Hand und seinen Unterarm. Einen Schild zu erschaffen, bevor er etwas von einem Fremden entgegennahm, war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Dass der Krieger die Augen aufriss, verriet ihm, dass es dem Jungen jedoch nicht in Fleisch und Blut übergegangen war.
»Du erschaffst keinen Schutzschild, bevor du etwas von jemandem in Empfang nimmst, den du nicht kennst?«
»Es sind doch bloß Briefe!«
»Und bei Paketen?«
»Manchmal.«
Lucivar starrte ihn an.
»Es würde die Kraft meiner Juwelen ziemlich schnell erschöpfen, wenn ich bei jeder Sendung einen Schild erschaffe«, protestierte der Krieger. »Abgesehen davon wird alles an den Briefstationen überprüft, bevor man uns die Bündel übergibt, die wir ausliefern sollen.«
Lucivar starrte ihn einfach nur weiter an.
Auf der Stirn des Kriegers bildeten sich Schweißperlen.
»Erstens«, sagte Lucivar, »erfordert es nur sehr wenig Kraft, um einen Schild aufrechtzuerhalten, nachdem man ihn einmal erschaffen hat – außer die Kraft verbraucht sich, weil etwas den Schild angreift. Zweitens siehst du alt genug aus, um der Dunkelheit dein Opfer dargebracht zu haben. Es besteht also kein Grund, weswegen du nicht dein Geburtsjuwel verwenden solltest, um dich zu schützen, während du die Kräfte deines Aquamarinjuwels anzapfst, um auf den Winden dieser Farbe zu reisen und deine Botschaften so schnell wie möglich abzuliefern. Drittens, selbst wenn du glaubst, die Gefahr sei nur sehr gering, zeugt es von dümmlicher Arroganz, ohne Schutzschild unbekannte Gefilde zu betreten – und das ist keine Arroganz, die ich in meinem Herrschaftsgebiet dulden werde.« Er starrte den Krieger unverwandt
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