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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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sich haben wollte, linderte den Schmerz. Sie tat etwas für ihn, und sie hatte Angst, er könne darauf bestehen, es zu sehen, bevor sie damit fertig war.
    Er senkte den Kopf und sah sie durch seine Wimpern hindurch an. »Und wann bekomme ich meine Überraschung?«
    Einen Augenblick zögerte sie überrascht. Dann verengte sie die goldenen Augen zu Schlitzen. »Du neckst mich?«
    »Nur ein bisschen.« Er schenkte ihr sein bestes Jungengrinsen.
    Ihre Augen verengten sich noch stärker, aber ihm fiel die Veränderung ihrer mentalen Signatur auf, als sie den Umstand in sich aufnahm, dass er zu Späßen aufgelegt war und keine Antworten von ihr verlangte.

    »Wann bekomme ich also meine Überraschung?«, fragte er erneut.
    »Bald. Aber nicht heute.«
    Er wartete und sah zu, wie sie sich bemühte, an der normalen Alltagswelt festzuhalten.
    »Heute kannst du Nusskuchen haben.« Tersa ergriff seinen Arn und zog ihn auf die Treppe zu, die ins Erdgeschoss führte – und fort von der Überraschung auf dem Dachboden. »Und Milch.«
    »Ich brauche keine Milch.« Er hetzte die Treppe hinab, um nicht von ihr abgehängt zu werden.
    »Jungs bekommen Milch zum Nusskuchen. Das ist eine Regel. Manny hat es mir gesagt.«
    Er biss die Zähne zusammen. Er konnte schlecht einer Regel widersprechen, die es Tersa ermöglichte, mit etwas fertig zu werden, das andere Menschen als einfach und alltäglich betrachteten; schließlich wusste er, dass Sylvias Sohn Mikal häufig zu Besuch kam. Zweifellos hatte Manny die Regel um Mikals willen aufgestellt.
    »Na schön«, sagte er und versuchte, ein Knurren zu unterdrücken. »Ich werde die« – verdammte – »Milch trinken.«
    Tersa blieb kurz hinter der Türschwelle zur Küche stehen und drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Und nicht die Kunst benutzen, um die Milch verschwinden zu lassen. Nicht schwindeln.«
    Die Geste einer Mutter. Die Schelte einer Mutter. Es war so außergewöhnlich, so etwas bei Tersa zu erleben, weil es im Grunde so gewöhnlich war.
    Beinahe brach es ihm das Herz.
    Es gab so vieles, das er ihr, seiner Mutter, nicht sagen konnte, weil es sie verwirren, in die Irre führen, weil es ihre zerbrechliche Verbindung zur Alltagswelt bedrohen würde. Aber er konnte ihr auf anderem Wege sagen, dass er sie liebte.
    Also hob er ihre Hand an sein Gesicht und küsste ihre Handfläche. »Na gut, meine Liebe. Ich werde die Milch trinken. Für dich.«

    »Also«, sagte Jaenelle, als sie das Esszimmer des Spukhauses inspizierten. »Wir haben das Skelett im Wandschrank, die Spinne im Netz, das Knurren im Keller, die glühenden Augen, den Rauch und die lachende Treppe.«
    Marian erschauderte. »Kannst du das Gelächter nicht an einer ganz bestimmten Treppenstufe festmachen?«
    Jaenelle drehte sich grinsend zu ihr um. »Es ist jetzt viel Furcht erregender, seitdem ich das ursprüngliche Gelächter in einer Höhle abgespielt habe, um das letztendliche Geräusch zu erhalten. Aber es soll nicht auf eine ganz bestimmte Stelle beschränkt sein. Die nächste Besuchergruppe würde das Geräusch erwarten, wenn sie die sechste Stufe erreicht.«
    »Genau.« Sie hätte sich beinahe in die Hosen gemacht, als sie vorsichtig vermieden hatte, auf die sechste Stufe zu treten, und das Geräusch von unten emporgestiegen kam, als sie auf die achte Stufe getreten war. »Mach es wenigstens an einer Stufe fest, während wir noch mit dem Haus beschäftigt sind.«
    Jaenelle bedachte sie mit einem ihrer langen, abschätzenden Blicke. »Gib es schon zu. Das hier hat dich oftmals erschaudern und zittern lassen, aber du hast es auch genossen.«
    »Ich gebe gar nichts zu«, erwiderte Marian. Doch sie lächelte bei diesen Worten. Genau vor dem Esszimmer, wo die Leute warten würden, bis sie an der Reihe waren, stand ein staubiger Tisch mit einer Vase voll abgestorbener Blumen. Wenn man mit dem Finger durch den Staub wischte – oder noch besser, wenn ein Landenjunge seinen Namen in den Staub schrieb -, kamen als Nächstes die Worte »Hallo Opfer« zum Vorschein.
    Das hatte sie sich ganz alleine ausgedacht.
    Es war diese Mischung aus dem Absurden, dem Furchteinflößenden und dem Echten, die das Spukhaus über die dummen Vorstellungen erhob, von denen die Landenjungen Jaenelle ursprünglich erzählt hatten. Mittlerweile gab es
Geisterführer, die den Leuten den Weg durch das Haus wiesen und ihnen Geschichten erzählten, damit sie wussten, wonach sie in jedem einzelnen Zimmer Ausschau halten mussten. Es gab Phantomgestalten, die

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