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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Daemonar jaulte.
    Lucivar schlug die Augen auf und schleuderte die Einladung
in Richtung der Anrichte, während er sich aufmachte, Junge und Welpe voneinander zu trennen. Doch noch bevor er diesen ersten Schritt getan hatte, wusste er, dass es sich nicht um eine der gewöhnlichen Rangeleien zwischen dem Jungen und dem Welpen handelte. Binnen der Augenblicke, die er nicht aufgepasst hatte, hatte sich mehr ereignet, denn Daemonar hatte von echtem Zorn gepackt die Faust erhoben, und der Welpe hatte die Zähne gefletscht, und es war klar, dass beides kein leeres Drohgebaren war.
    Angesichts dieser bevorstehenden Katastrophe gab Lucivar ein Geräusch von sich, das durch den Horst donnerte – das unverwässerte Urgebrüll eines wütenden erwachsenen, eyrischen Mannes.
    Alle drei versteiften sich.
    Als Lucivar den Jungen und den Welpen anstarrte, die wiederum ihn anstarrten, dachte er: Mutter der Nacht! Ich klinge wie mein Vater!
    Der Gedanke brach etwas in seinem Innern los, wie ein Stein, der eine Lawine auslöst. Er spürte die Kaskade, spürte den Druck des Sturmes auf seiner Haut, in seinen Knochen. Es war nicht abzusehen, was da herannahte und wie lange er es zurückhalten konnte. Doch die Kinder kamen natürlich an erster Stelle.
    Deshalb setzte er sich in Bewegung und nahm Daemonar auf einen Arm, den Welpen auf den anderen. Er ließ die Papiere auf dem Küchentisch verschwinden und setzte den Jungen und den Welpen ab – und sah sich dem nächsten Problem gegenüber, während er die ganze Zeit über den Sturm krampfhaft unterdrückte.
    Er war allein, sie hingegen waren zu zweit – und es galt eine gefährliche Erkenntnis zu verhindern, die sich bis in ihr Knochenmark fressen würde und noch lange nachdem die eigentliche Erinnerung verschwunden war, vorhanden wäre. Um wen auch immer er sich zuerst kümmerte, das andere »Kind« würde immer wissen, dass es nicht so wichtig war, weniger Bedeutung hatte. Und zwischen dem Jungen und den Wölfen hätte sich für immer etwas geändert.

    Also untersuchte er mit der einen Hand den Welpen und stieß auf eine wunde Stelle, die von einem Tritt herrühren konnte, während er mit der anderen Hand dem Jungen den Strumpf herunterzog. Der Welpe hatte Daemonar so fest gebissen, dass die Haut an der Knöchelinnenseite aufgerissen war. Lucivar strich mit dem Daumen über den Kratzer, um das Blut wegzuwischen, bevor es Daemonar auffiel.
    »Es ist alles in Ordnung mit euch«, sagte er in der Hoffnung, besänftigend auf sie einzureden. Allerdings gelang es ihm nicht, den wilden Zorn ganz aus seiner Stimme zu tilgen. »Nichts verletzt, nichts gebrochen.« Und keiner von beiden schlimmer verwundet als der andere. Der Dunkelheit sei Dank!
    Er hielt sie beide fest gepackt und hörte mit den Besänftigungsversuchen auf. »Es ist mir egal, was ihr getan habt. Es ist mir egal, wer angefangen hat. Wenn das hier noch einmal vorkommen sollte, dürft ihr nicht mehr miteinander spielen.«
    Der Welpe winselte, und Daemonar schob eine zitternde Unterlippe vor.
    Als Lucivar das Kratzen von Krallen auf dem Steinboden hörte, drehte er den Kopf und erblickte Tassle, der im Türrahmen stand. Mithilfe einer leichten mentalen Berührung zeigte er dem Wolf die Erinnerung an das, was soeben vorgefallen war.
    Tassle fletschte die Zähne und knurrte beide Kinder an.
    »Hier«, sagte Lucivar und setzte den Welpen auf den Boden. »Warum kümmerst du dich heute Nachmittag nicht um deinen Nachwuchs, und ich sehe zu, dass ich mit meinem fertig werde?«
    Wenigstens hoffte er, dass er sich um seinen Sohn kümmern können würde. Er hoffte, der Gefühlssturm, den jenes Geräusch hervorgerufen hatte, würde ihn nicht außer Gefecht setzen.
    Tassle packte seinen Welpen im Genick und marschierte von dannen.
    Lucivar betrachtete die Spur von Welpenurin, die er wegwischen
musste, dann sah er seinen Sohn an, dem jetzt die Tränen in den Augen standen. Mit einem Seufzen hob er Daemonar hoch und strich dem Jungen beruhigend über den Rücken.
    »Will Mama«, schniefte Daemonar. »Will Mama jetzt.«
    »Ich auch, mein Junge. Ich auch.«
    Er brachte Daemonar in den Salon und ließ sich im Schaukelstuhl nieder. Das Schaukeln und der Beruhigungszauber, mit dem er den Jungen belegte, führten dazu, dass Daemonar binnen kurzer Zeit fest eingeschlafen war.
    Sobald sich Lucivar sicher war, dass der Junge nicht aufwachen würde, rief er eine Flasche mit einer Salbe herbei, die Jaenelle für »Alltagswehwehchen« hergestellt hatte,

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