Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
Vom Netzwerk:
und rieb den Kratzer damit ein, um die Wunde zu reinigen. Gleichzeitig bediente er sich einfacher Heilkunst, um »alles wieder gut zu machen.«
    Dann ließ er die Flasche verschwinden, schaukelte seinen Sohn … und widmete sich dem Sturm, der in seinem Innern tobte.
    Es war keine Erinnerung. Nicht wirklich. Mehr als würde man ein Gefühl erneut durchleben. Er wusste nicht, wo oder wann, aber er war noch klein. Älter als Daemonar jetzt war, aber nicht viel älter. Er steckte in dem kleinen Jungenkörper, saß auf einer Bank, ganz in sich zusammengesunken, während das Echo jenes Geräusches gegen seine Haut drückte, auf seine Knochen. Sich in sein Herz rammte.
    Die Stimme seines Vaters. Aber das Geräusch hatte etwas Schreckliches an sich gehabt.
    Todesqualen hatten darin mitgeschwungen.
    Seine Schuld. Er konnte sich nicht erinnern, warum, aber dessen war er sich sicher.
    Prothvar würde Bescheid wissen.
    Der Gedanke trieb ihm die Tränen in die Augen. Er blinzelte sie zurück.
    Prothvar war mittlerweile tot. Wirklich tot. Er war vor über fünfzigtausend Jahren im Blutrausch ums Leben gekommen, im Krieg zwischen Terreille und Kaeleer, aber gemeinsam
mit Andulvar und Mephis war er einer der Dämonentoten gewesen, die das Schattenreich weiterhin beschützt hatten. In gewisser Hinsicht war der Krieg, dem Jaenelle letztes Jahr ein Ende gesetzt hatte, ohnehin nur eine Fortführung des ersten Krieges gewesen, da Hekatah hinter beiden Konflikten gesteckt hatte.
    Als Prothvar sein Dasein für Jaenelles Netze aufgegeben hatte, um die Angehörigen des Blutes davor zu schützen, wenn Jaenelle ihre gesamte Macht entfesselte, war er in gewisser Hinsicht auf das letzte Schlachtfeld jenes alten Krieges getreten.
    Prothvar war also mittlerweile tot. Wirklich tot. Andulvar und Mephis ebenso.
    Was immer an dem Tag geschehen sein mochte, als er seinen Vater dazu veranlasst hatte, jenes donnernde Geräusch von sich zu geben, hatte sein Leben verändert, hatte ihn verändert. Dessen war er sich sicher. Jetzt musste er herausfinden, warum.
    Es gab nur einen einzigen Menschen, den er fragen konnte.
    Er schloss die Augen – und spürte, wie ihm eine einzelne Träne das Gesicht hinunterrann. Er wusste nicht recht, ob die Träne dem Jungen galt, der er einst gewesen war, oder den Familienangehörigen, die tot waren.
    Während er seinen Sohn wiegte, überkam ihn das Gewicht jener alten Erinnerung, die nur aus einem Gefühl bestand – und erdrückte alles andere.

    Surreal zog Rainier bei seiner Ankunft augenblicklich in den Salon des Stadthauses.
    »Hast du auch so eine gekriegt?«, fragte sie und hielt ihm eine cremefarbene Einladung entgegen.
    »Nein«, erwiderte er, nachdem er sie gelesen hatte.
    Sein nachdenkliches Stirnrunzeln entging ihr nicht. »Was?«
    »Nun ja, Jaenelle und Marian wissen beide, dass jeder,
den sie zu dem Rundgang in dem Spukhaus einladen, kommen wird – besonders sämtliche Familienmitglieder. Warum das Ganze also wie eine Art Gehorsamsprüfung aufziehen?« Er musterte ihre absichtlich ausdruckslose Miene. »Königinnen – besonders junge Königinnen – unterziehen gelegentlich ihren Ersten Kreis einer Prüfung, indem sie Forderungen stellen, die zwar nicht schädlich sind, andererseits aber auch nicht sehr rücksichtsvoll formuliert. Der Wortlaut der Einladung macht einen Teilnahmebefehl daraus, und da die Besichtigung heute Abend stattfindet, wird von dir erwartet, dass du jegliche Pläne oder Verpflichtungen über den Haufen wirfst, die du vorher vielleicht hattest, und dem Befehl Folge leistest.«
    »Vielleicht wollten sie sichergehen, dass die Einladungen nicht ignoriert werden.«
    »Vielleicht.« Doch Rainier wirkte nicht wirklich überzeugt.
    Die Sache klang nicht nach Jaenelle oder Marian, aber vielleicht waren sie nervös geworden, was die Besichtigung des Spukhauses betraf, und hatten sich keine Gedanken über die Formulierung der Einladungen gemacht.
    Surreal steckte sich das Haar hinter die spitz zulaufenden Ohren. »Egal. Uns bleibt nicht viel Zeit, also habe ich um eine schnelle Mahlzeit gebeten. In ein paar Minuten essen wir. Ich werde mich inzwischen umziehen. Du sprichst mit Helton und findest heraus, wo sich dieses Dorf befindet.«
    »Surreal.« Rainier sah peinlich berührt aus. »Ich bin nicht eingeladen.«
    »Hast du mir nicht erst kürzlich weismachen wollen, du würdest mir als offizieller Begleiter zur Verfügung stehen, wann immer ich einen brauche?«
    »Ja, das habe ich

Weitere Kostenlose Bücher