Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
hörten es beide gleichzeitig – die Geräusche, als sich jemand im Nachbarzimmer bewegte.
Jaenelle war zu Hause. Dass sie sich hier befand, anstatt den ersten Rundgang durch ihre kostbare Attraktion zu überwachen, bedeutete, dass seine Abwesenheit aufgefallen war, und er eine heftige Nacht vor sich hatte.
Lass das , ermahnte er sich selbst. Besudele sie nicht mit den Erinnerungen daran, wie andere Frauen reagiert hätten.
Es war eine gerechte Ermahnung, die seine Verbitterung und seinen Kummer jedoch nicht schmälern konnte.
»Ich werde es der Lady erklären«, sagte Beale und straffte die Schultern.
»Nein.« Daemon griff nach der Einladung. »Woran es auch gelegen haben mag, ich bin immer noch derjenige, der letzten Endes darüber Rechenschaft schuldig ist.«
»Aber …«
»Nein.« Er zögerte. »Ich weiß dieses Angebot wirklich zu schätzen, Beale.«
Er wartete, bis Beale fort war. Dann näherte er sich der Verbindungstür und klopfte an.
»Herein.«
Als er das Zimmer betrat, das er gewöhnlich als ihr gemeinsames Schlafzimmer betrachtete, und das er im Moment am liebsten aus seinen Gedanken verbannt hätte, schenkte Jaenelle ihm einen verwirrten Blick. Anschließend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Kleiderschachtel auf dem Bett. »Auf dem Heimweg habe ich in Amdarh vorbeigeschaut. Ich wollte sehen, ob das Kleid fertig ist, und das war es.« Sie wirkte glücklich und aufgeregt, als sie den Deckel der Schachtel zur Seite schleuderte. »Wieso hast du angeklopft?«
»Ich war mir nicht sicher, ob ich willkommen bin.«
Sie hörte auf, das Kleid auszupacken, richtete sich auf und wandte sich ihm zu. Ihre saphirblauen Augen waren beängstigend kalt und leer.
Sie waren immer noch dabei, an schwierigen Aspekten ihrer Beziehung zu arbeiten, wunden Stellen, die im Laufe der Monate von Jaenelles Genesung entstanden waren – als beide unsicher gewesen waren, ob der jeweils andere ihn immer noch wollte. Folglich waren seine Worte eine Warnung: Er hatte etwas getan, das dazu führen könnte, dass sie ihn aussperrte. Für immer.
»Was soll das heißen?«, fragte sie eine Spur zu sanft.
Ihn befiel das verzweifelte Verlangen, sie zu halten, sich zu bestätigen, dass es letzten Endes nichts weiter als ein kleiner Fehler gewesen war. Doch dem war nicht so. Nicht im Falle eines Mann des Blutes, der einen Ehering trug. Nicht wenn die Ehe noch so frisch war, dass er sich noch immer nicht an den Ring an seinem Finger gewöhnt hatte – oder an die Freude zu wissen, dass es den Ring überhaupt gab.
Deshalb konnte er sie nicht so berühren, wie er wollte. Konnte noch nicht einmal um Verzeihung bitten, bis er ein Zeichen von ihr erhalten hatte, dass sie ihm das Flehen gestattete. Denn er hatte nicht nur seine Ehefrau enttäuscht, sondern auch seine Königin.
Er reichte ihr die Einladung. »Es tut mir leid.« Wahrlich ungenügende Worte, doch mehr hatte er im Augenblick nicht zu bieten.
Sie starrte die Einladung lange an. Dann richtete sie den Blick auf ihn.
Ihre saphirblauen Augen glühten vor Zorn; doch es war der eiskalte Zorn, der tief im Abgrund umherwirbelte, beinahe auf der Höhe von Schwarz, der ihm besagte, dass er in ernsthaften Schwierigkeiten steckte.
Süße Dunkelheit, sie war derart wütend auf ihn!
»Weißt du, wo sich dieses Dorf befindet?«, fragte sie und reichte ihm die Einladung zurück.
Er nickte.
»Dann lass eine Kutsche vorfahren. Groß genug, dass mehrere Leute hineinpassen. Ich muss ein paar Vorräte zusammensuchen.« Sie ging auf die Tür zu, die in den Korridor führte.
»Jaenelle …«
» Auf der Stelle , Prinz.«
Ihre Stimme zischte sein Rückgrat wie ein kalter Blitz entlang und ließ sein Herz rasen. Gewaltige Höhlen und Grabstätten – und ein Hauch Wahnsinn – lagen in dieser Stimme.
Mitternacht flüsterte in dieser Stimme.
Hexe , und nicht Jaenelle, hatte soeben den Befehl ausgesprochen. Und die Lady war alles andere als erfreut.
Da er nichts gegen ihren Zorn unternehmen konnte, ging er nach unten, um die Kutsche vorzubereiten, damit sie auf den Winden zu dem Landendorf reisen konnten, in dem sich dieses verdammte Spukhaus befand.
»Der ist wohl schon länger tot«, sagte Rainier und hielt sich Mund und Nase mit der Hand zu.
Surreal starrte die Leiche in dem Wandschrank an. »Ja. Ist immerhin schon lange genug hier, um zu stinken. Aber jemand, der eine Illusion dieses Gesichtes getragen hat, hat uns ins Haus gelassen und ist vor einer Minute an mir
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