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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ein, vorspringende Nase, die dunklen Haare schulterlang. »Das ist ein Bulle. Fraternisier nicht mit so was.«
    »Der is nett. Ohne den wär mein Kopf entzwei.«
    »Du blickst es mal wieder nicht. Das ist ein altes Bullenspiel. Böser Bulle, guter Bulle. Nicht entsolidarisieren lassen.«
    Herzkirschengesicht verzog den hübschen Mund und sagte etwas, das so ähnlich klang wie Genosse, halt das Maul . Dann wandte sie sich wieder Berndorf zu.
    »Trinken wir was zusammen?«
    Eigentlich hab ich schon genug, schöne Dame, Schnaps auf zerstückelte Zahnarztgehilfinnen haut den stärksten Mann um, wie werd’ ich jetzt auf die Schnelle wieder nüchtern . . .
    Langhaar trollte sich. »Dann agitier ihn wenigstens.«
    »Schöne Dame, dass Sie nicht entzwei sind, beglückt mich mehr, als ich sagen kann und mag«, brachte Berndorf heraus,
und: »Sielaff, tust du mal deinen Arsch von dem Hocker und bietest ihn der schönen Dame an, den Hocker, nicht deinen Arsch.«
    Stunden später, im Morgengrauen, rissen die Nebelfetzen des Rausches auf, Berndorf lag auf einem schmalen quietschenden Bett, wieso quietschend? Blöde Frage, schlank und weiß und nackt kauerte Herzkirsche über ihm, Göttin meines Herzens! Was soll das geben, wenn ich nicht betrunken bin, falls es ein zweites Mal geben wird . . .
     
    Eine Gruppe von jungen Leuten kommt über die Brücke, zwei junge Frauen in ihrer Mitte, lachend, barfuß, die Schuhe in der Hand. Nachtschimmernd eilt der Neckar noch immer der BASF zu, noch immer hängt schwer in das Tal , was nicht die Wetter zerrissen, sondern Ezechiel Comte de Melac hatte sprengen lassen, Berndorf kehrt ins Jahr 2000 zurück und beschließt, ins Hotel zu gehen.

Freitag, 30. Juni .
    Florian Grassl tritt aus dem Eingangsportal des lang gestreckten Fachwerkbaus, zwei mit Schnüren verknotete Pakete unter dem Arm. Auf dem Treppenaufgang bleibt er stehen und mustert den blauen, noch dunstigen Himmel. Hoch oben hat ein Bussard eine Thermik gefunden und kreist darin.
    »Aber passen Sie um Himmels willen auf, dass Ihnen niemand folgt«, sagt Gerolf Zundt. Er kommt hinter Grassl aus dem Portal und trägt – wie immer, wenn keine Tagung ist – Khakihemd und Kniebundhosen.
    »Ja, Chef«, antwortet Grassl. »Nur könnte ich da ein Problem bekommen.« Er weist zu dem altersrostigen Golf, der unter den Kastanien steht. »Damit häng ich keinen ab.«
    »Das soll ja keine Rallye werden«, meint Zundt. Aber seine Stirnfalten beginnen, sich neu zu sortieren.
    Grassl wartet.
    »Könnten Sie den Audi denn überhaupt fahren?«
    »Vor zwei Jahren hab ich einen Alten Herrn der Rhenania durch Frankreich chauffiert«, sagt Grassl ohne zu zögern, »einen Wirtschaftsanwalt, der nach einem Festkommers ein Malheur mit der Polizei hatte.« Vor Wirtschaftsanwälten hat Zundt großen Respekt. »Der hatte auch einen Audi, aus der gleichen Baureihe wie der Ihre.«
    Eine Viertelstunde später setzt Grassl mit dem königsblauen Audi aus der Garage zurück und wendet auf dem Vorplatz. Im Lodenkostüm, mit Plaid und Sommermantel überm Arm sowie den Koffer schleppenden Zundt und Freißle im Gefolge
erscheint die Hohe Frawe. Man hätte ihr den altersschwachen Golf wirklich nicht antun können, denkt Grassl. Margarethe Zundt steigt in den Fond, ihr Gepäck wird im Kofferraum verstaut. Die beiden flachen verschnürten und versiegelten Pakete dort nehmen keinen Platz weg und fallen nicht weiter auf.
    »Erzählen Sie meiner Frau nichts davon, sie beunruhigt sich sonst«, hatte Zundt ihm noch eingeschärft.
    Grassl steuert den Wagen auf die kleine Asphaltstraße, die zunächst durch ein Trockental und dann über die Kuppe nach Wieshülen führt. Er sitzt etwas steif hinter dem Steuer, mit angewinkelten Armen, denn Zundt ist kleiner als er. Aber er muss erst herausfinden, wie er den Sitz verstellen kann. Schließlich hat er noch nie einen Audi gefahren.
    Es würde ein schöner Tag werden, teilt die Hohe Frawe mit. Sie weiß es nicht aus dem Wetterbericht, sondern vom Flug der Mauersegler, »das geheime Wissen der Natur, junger Mann!« Ein schöner Tag, ja. Fast ein Ferientag. Mit einer Schifffahrt über den Bodensee. Zwar ein bisschen konspirativ, das alles. Hat der Alte womöglich zu viele Romane von John Le Carré gelesen? Gestatten Old Smiley Zundt, Schlapphut.
    Der Kirchturm von Wieshülen kommt in Sicht. Grassl fährt an den Wochenendhäusern vorbei, die sich am Südhang gegenüber dem Dorf ausbreiten, und überholt eine junge Bäuerin, die

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