Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
den Bau von Moscheen ausgesprochen, »solange niemand etwas gegen den Bau von Synagogen einzuwenden hat «.
    Grassl lässt den Cursor bis zum Ende des Interviews laufen und findet dort eine kurze biografische Notiz, wonach Professor Schatte in den späten Sechzigerjahren der Radikalen Sozialistischen Opposition angehört habe.
     
    Berndorfs Zimmer ist eng und die Einrichtung spartanisch. Das Fenster bietet den Ausblick auf eine unverputzte Mauer, im Teppichboden wechseln sich die Brandspuren ausgetretener Zigarettenkippen mit Flecken ab, von denen Berndorf die Herkunft lieber nicht wissen will. Immerhin gibt es eine Dusche. Berndorf packt seine Einkäufe aus, klaubt die Nadeln und Cellophan-Einschiebsel der Verpackung aus seinen neuen Hemden und betrachtet misstrauisch den eben gekauften Nassrasierer. Soll er sich nicht besser einen Bart stehen lassen? Einen flotten Rentner-Schnäuzer für den Tanztee – When I’m sixty-four — der Aktiven Senioren?
    Was ein Glück, dass er nicht tanzen kann.

    Dann steigt er unter die Dusche. Als er sich abgetrocknet hat, setzt er sich, noch nackt, auf das Bett, das verdächtig nachgibt, holt sein Handy heraus, schaltet es ein und ruft von den Nummern, die dort gespeichert sind, die erste auf. Während er wartet, versucht er, durch das Fenster einen Blick auf den Himmel zu werfen, oder was davon zwischen Brandmauern, Dachrinnen und Schornsteinen noch zu sehen ist. Offenbar ist die dunkle Gewitterfront weitergezogen, erleichtert, nachdem sie ihren Hagel über Stadt und Tal abgeschlagen hat.
    Es dauert eine Weile, dann wird abgehoben und es meldet sich die angenehme, klare, gewinnende, aber leider und unüberhörbar noch immer mit Eiswürfeln versetzte Stimme von Professorin Barbara Stein.
    »Ich hatte nicht mehr mit deinem Anruf gerechnet.«
    Sie ist sauer, denkt Berndorf. Am Abend würde sie ihr Seminar halten und danach mit den Studenten noch in eine Dahlemer Eckkneipe gehen. Weil er das weiß, hätte er sie früher anrufen müssen.
    »Ich bin in Heidelberg«, sagt er dümmlich.
    »Wie nett.«
    Sie ist sogar richtig sauer. »Ich will dich nicht stören.«
    »Du störst mich nicht. Was sollte mich daran stören, wenn du nach Heidelberg fährst? Du bist dein eigener Herr.«
    Berndorf runzelt die Stirn.
    »Gehe ich recht in der Annahme«, fährt die Stimme gnadenlos fort, »dass du morgen nicht kommen wirst? Auch das wäre deine Entscheidung. Ich sollte es nur wissen.«
    So nicht. »Ich bin hier, weil sich ein Kollege umgebracht hat. Ein Kollege von früher. Ich sagte dir doch, dass du den Fall kennst. Troppau hieß der Mann. Er war es, der 1972 drüben in Mannheim den Iren erschossen hat. Damals, als ich danebenstand wie ein Narr.«
    Schweigen.
    »Bist du noch da?«
    »Ja«, antwortet Barbara. »Entschuldige. Ich bin noch da. Wer hat dich zugezogen?«

    »Niemand. Falsch. Er selbst hat es getan. Der Tote. Bei der Leiche lag ein Brief. Der Brief war an mich adressiert.«
    Schweigen.
    Berndorf wartet.
    »Und was will er – oder wollte er von dir? Wenn du es mir sagen magst.« Der Zusatz diesmal ohne Eiswürfel.
    »Moment.« Berndorf legt das Handy weg, steht auf und holt aus seiner Jackentasche die Kopie, die ihm Faltenhauser gegeben hat. Die Handschrift Troppaus ist akkurat, ordentlich, wenig ausgeprägt. »Der Brief trägt das Datum von gestern und ist an mich adressiert, korrekte Adresse, Hauptkommissar Hans Berndorf, Dezernat Kapitalverbrechen, Polizeidirektion Ulm, Neuer Bau. Der Text ist sehr kurz: Lieber Herr Berndorf! Warum eine silberne Kette? Ihr Wilhelm Troppau . Zitat Ende.«
    »Das ist alles?«
    »Ich verstehe es auch nicht. Da geht einer und steigt die letzten Stufen hinauf, und alles, was er von dieser Welt noch will, ist, dass sie sich um ein albernes Glitzerding kümmern soll . . .«
    »Du weißt wirklich nicht, was er meint?«
    »Ich glaube doch.« Plötzlich klingt Berndorfs Stimme verändert. »Es hatte damals in Mannheim einen Überfall auf die Geschäftsstelle der Landeszentralbank gegeben, eine ziemlich spektakuläre Geschichte . . .«
    »Ich weiß«, unterbricht ihn Barbara. »Sehr gut weiß ich das. Ein Geldtransporter wird bei der Rückfahrt von einem Volvo unmittelbar vor dem Hof der Bank gestoppt, ein Maskierter bedroht den Fahrer mit einer Bazooka, ein zweiter lässt sich eine Sporttasche mit den großen Scheinen füllen, der dritte wartet im Wagen, und dann sind sie auch schon weg, mit anderthalb Millionen, wenn ich es noch recht weiß, damals nicht

Weitere Kostenlose Bücher