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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Er will so tun, als ob er darüber steht. Was aber, wenn der Besuch von heute Nachmittag dem Alten nicht einfach nur peinlich war? Wenn er seine Unterlagen höchst vertraulicher Natur nicht vor den finsteren Machenschaften der Linken, sondern vor Schatte in Sicherheit bringen will? Vor Schatte, der so penetrant nach dem Odilien-Hilfswerk gefragt hat?
    Wieder muss Grassl an den Mann mit dem Fernglas denken. Und an den im Unterholz geparkten Stuttgarter BMW.
    Blendend hell leuchtet ein Blitz das Tal aus, das tief eingeschnitten zu Grassls Füßen liegt. Krachend folgt der Donnerschlag.
    Es beginnt zu regnen.
     
    Das Unwetter hat sich verzogen, die Luft ist frisch und erquickt Lungen und Seele. Berndorf lehnt an der Brüstung der Alten Brücke und sieht dem Neckar zu, der in der Dunkelheit eilig und nachtschimmernd dem Rhein zustrebt, traurigfroh ? Heute kein Hölderlin. Was herein in die Berge scheint, sind Mannheim und Ludwigshafen und die BASF, von wegen reizende Ferne .
    Für einen Augenblick war er versucht gewesen, mit der Straßenbahn nach Handschuhsheim hinauszufahren und in jene Kneipe zu gehen, in der er – bald 30 Jahre war das her – Barbara zum zweiten Mal begegnet war . . .
     
    . . . Es war später Freitagabend. Die »Soko Waidmann« hatte den ganzen Tag einen Zahnarzt und Kreisjagdmeister verhört,
dessen verschwundene schwangere Gehilfin einige Tage zuvor gefunden worden war, aufgeteilt auf die Luderplätze der Jagdreviere zwischen Weinheim, Mannheim und Heidelberg. Irgendwann war der Zahnarzt weich gekocht, das Geständnis protokolliert und unterschrieben, die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl, der Haftrichter erließ ihn. »Was tun mit dem angebrochenen Abend?«, frug Sielaff von der Heidelberger Kripo und gab sich selbst die Antwort: »Gehen wir doch in Hendesse ein Bier trinken.«
    Die Kneipen in Handschuhsheim waren alle voll, irgendwann landeten sie an einer Theke in einer hohen holzgetäfelten Wirtsstube, stritten über die neue Bonner Politik und über Willy Brandt, der seit kurzem Kanzler war, Sielaff zog Berndorf auf, er werde ja wohl bald Karriere im Innenministerium machen, einen Job bekommen mit Sessel und Ärmelschoner, Innere Führung für den Polizeidienst, dann kamen sie auf den neuen deutschen Terrorismus zu sprechen und schließlich doch lieber auf den neuen deutschen Fußball, passten Netzer und Overath in eine Mannschaft?
    Schrecklicherweise verfielen sie darauf, Obstschnäpse zu kippen, wie Männer, die zu spät begonnen haben und sich nun beeilen, um noch zu ihrem Rausch zu kommen. Ganz spät am Abend fand sich eine Gruppe von Studenten am Tresen ein, Berndorf trat zur Seite, um einer jungen Frau mit langen dunklen Haaren Platz zu machen . . .
    »Hey«, sagte die junge Frau, und in ihrem ovalen, um nicht zu sagen herzkirschenförmigen Gesicht ging ein strahlendes Lächeln auf, »Sie sind doch mein Freund und Helfer, erinnern Sie sich nicht?«
    Natürlich erinnerte er sich, so viele Schnäpse hätte der Wirt gar nicht gehabt. Vor wenigen Wochen war er zu einem Observationstrupp nach Heidelberg abgeordnet, bei einer Demonstration vor der Universität sollten Gewalttäter herausgefischt werden. Viel wäre da zu fischen gewesen, auf der einen wie auf der anderen Seite, irgendwann flogen Steine, in der Alten Universität gingen die ersten Fensterscheiben zu
Bruch, eine junge Frau stellte sich den Steinewerfern entgegen und schrie: »Nicht provozieren! Keine Steine!« Was glaubst du, Mädchen, wozu die hier sind, hat Berndorf gedacht, das Geschrei der Sprechchöre und das Blechern der Polizeidurchsagen walzte die einzelne Stimme nieder, Steinbronner stürzte mit erhobenem Knüppel auf sie zu, ein anderer Polizist riss ihm den Arm zurück . . .
    »... das war im letzten Augenblick«, sagte Herzkirschengesicht, »sonst wär ich in der Neurologie gelandet. Haben Sie eigentlich Ärger bekommen?«
    »Oh.« Berndorf lächelte blöde. Was widerfuhr ihm da? Steinbronner hatte eine Luxation des Schultergelenks davongetragen, Freunde würden sie wohl nicht mehr werden. Die Einsatzleitung ließ den Vorfall auf sich beruhen, aber den Hardlinern im Präsidium war Berndorf nun vollends verdächtig geworden.
    »Mein Kollege hat ein kleines Problem mit seiner Dingsda, mit seiner Schulter. Es gibt Schlimmeres, glauben Sie mir. Hauptsache, seinem Ellenbogen ist nichts passiert, den braucht er noch. Aber Sie, wie sind Sie . . .«
    »Was willst’n mit dem da?« Ein junger Mann mischte sich

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