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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ganz wenig . . . Aber die Kette?«
    Sie hat nichts davon vergessen, denkt Berndorf. »Die beiden Männer aus dem Geldtransporter hatten behauptet, der Angreifer mit der Bazooka sei eine Frau gewesen. Und so wurde es dann auch in den Fahndungsaufrufen durchgegeben.«

    »Und es war gar keine Frau?«
    »Spät in der Nacht kam ein Anruf in die Zentrale. Ruhige Stimme, klare Angaben. Der Fahndungsaufruf sei falsch. Der fragliche Täter sei keine Frau. Es sei ein Mann mit langen Haaren, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Der Mann halte sich in einer Wohnung in Mannheim-Feudenheim auf. Es folgte die Adresse. Dritter Stock, rechts. Allerdings sei eine Frau bei ihm. Und: Es gebe ein besonderes Kennzeichen. Eine silberne Kette.«
     
    Die Wolkenfront ist weiter nach Osten gezogen, hat ein paar Heilbronner Weinberge verhagelt und Stuttgart einen Platzregen beschert. Jetzt hat sie die nachtblaue Bank des Albtraufs erreicht, verharrt dort kurz und lässt mit einigen kurz angerissenen Blitzen die Industriedörfer des Unterlandes in der Dunkelheit aufleuchten. Rumpelnd folgt ferner Donner.
    Florian Grassl steht, in seinen Anorak gehüllt, auf dem Felsen und überlegt. Majestätisch, wie? Es wäre lustig zu sehen, wenn der Blitz . . . Aber in dieser Nacht sind sie nicht draußen.
    Wenn jemand im Wald sein wird, ist es der Mann mit dem BMW. Irgendwie hat er keine Lust, das nachzuprüfen.
     
    Nach dem Abendessen hatte ihn Zundt, das Gesicht in verschwörerische Falten gekrumpelt, noch in sein Arbeitszimmer gebeten. Aus dem Schreibtisch wurde die Zigarrenkiste mit den handgerollten Havannas hervorgeholt. Vorsicht, hatte Grassl noch gedacht, während er sich bedächtig eine der Zigarren aussuchte.
    Als sie sich schließlich in die stilvoll rissigen Lederfauteuils gesetzt und die Havannas angezündet hatten, war Zundt zur Sache gekommen.
    Es gebe da politische Entwicklungen, hatte er gesagt und einen Rauchkringel in die Luft geblasen, »die doch unerfreulich sind. Sehr unerfreulich.«
    Grassl hatte teilnehmend genickt. Fällt dir das erst jetzt auf?
    »Dieses Land verändert sich.« Zundt verzog seinen Mund.
»Überhaupt nicht zu seinem Vorteil.« Mit hochgezogener Oberlippe blies er den Tabakkrümel weg, der sich in seinem Gebiss verfangen hatte. »Wir müssen für die Akademie Vorsorge treffen.«
    Die Sache war darauf hinausgelaufen, dass Grassl am nächsten Tag die Hohe Frawe nach Ulm bringen und in den Zug setzen würde. Danach aber sollte er nicht nach Wieshülen zurückfahren, sondern weiter nach Friedrichshafen und mit der Fähre über den Bodensee nach Romanshorn, zwei Pakete im Kofferraum, »Unterlagen höchst vertraulicher Natur!« Grassl sollte sich in der Romanshorner Niederlassung des Helvetischen Trusts melden und mit einem Kennwort ausweisen, dann würde er Zutritt zu Zundts Schließfach bekommen und die beiden Pakete dort deponieren können.
    Das Kennwort hieß »Réunion«.
    Danach hatten sie noch gemeinsam die Tagesschau angesehen. Berlin erwartete eine Regierungsumbildung, weil der Staatsminister im Kanzleramt zum UN-Administrator für den Kosovo berufen worden war, in Köln stand ein muslimischer Sektenführer vor Gericht, der angeblich einen abtrünnigen Jünger in einem Hochofen hatte entsorgen lassen, ein früherer Staatssekretär und Geheimdienstchef, der sich mit einigen Millionen im Aktenkoffer ins Ausland abgesetzt hatte, blieb gleichfalls unauffindbar, trotz oder wegen der gemeinsamen Anstrengungen der Nachrichtendienste, drohend blickte ein wuschelköpfiger Abgeordneter der neuen Regierungspartei durch seine dicken Brillengläser und murmelte etwas von einem Untersuchungsauftrag für die Parlamentarische Kontrollkommission, wenn anders die Loyalität der Nachrichtendienste nicht herzustellen sei . . .
    »Dieser Narr!«, sagte Zundt, »das würde denen so passen, den Geheimdienst gleichschalten, ein Stück aus dem Lehrbuch des Stalinismus ist das ...« Dann hatte er sich so echauffiert, dass Grassl ihm das Bundestag-Handbuch holen musste, weil Zundt wissen wollte, ob der Wuschelköpfige nicht einer aus dem Osten sei.

    Das war er nicht, sondern hatte seinen Wahlkreis an der Wupper. Schließlich war Grassl mit Zigarre und in Gnaden entlassen.
     
    Was ist gegen eine Fahrt in die Schweiz zu sagen, überlegt Grassl und betrachtet die nächtliche Landschaft, ohne sie zu sehen. Nichts, wenn nicht die Zigarre gewesen wäre. Wieso dieser Gunstbeweis?
    Es ist der Besuch. Das Gespräch mit Schatte ist Zundt peinlich.

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