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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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lächeln. »Das war mal anders. Schade. Bleib weiter brav.« Er dreht sich um und geht zur Tür. »Heh«, sagt Sielaff zu Berndorfs Rücken. »Mach kein’ Scheiß. Wir gehen ein Bier trinken, ja?«
     
    Vor Ravensburg hat Grassl nicht die Umgehungsstraße genommen, sondern ist in die Innenstadt gefahren. Der BMW ist noch immer hinter ihm. Dessen Fahrer überholt nicht, sondern hat sich zweimal selbst überholen lassen und ist an der ersten Ampel vor Ravensburg sogar eine Phase zurückgeblieben.
    Wäre er geistesgegenwärtiger oder ortskundiger, hätte Grassl diese Gelegenheit genutzt, sich irgendwo in eine Seitenstraße zu schlagen. Aber vielleicht hatten es die Leute in dem BMW genau darauf angelegt. Dass er in eine Seitenstraße fährt, in eine verlassene Sackgasse womöglich.
    Grassls Mund ist trocken. Und trotzdem spürt er darin wieder den Geschmack von Blut. Wie damals, als ihm »Butzi« Bullinger mit der breiten behaarten Hand ins Gesicht schlug, links und rechts und links, und sein Kopf unter den Schlägen hin und her schlenkerte wie das Gemächte vor dem nackten behaarten Bauch Bullingers, dabei war er noch ein Kind gewesen, niemand darf ein Kind so schlagen . . .
    An der übernächsten Ampel ist der BMW wieder da, drei Autos hinter ihm, aber in der gleichen Phase. Grassl fühlt sich schutzlos, ausgeliefert. Er muss unter Menschen, unter Leute, die er zu Hilfe rufen kann.

    Er folgt dem Wegweiser in die Altstadt. Vor der Kreuzung mit einer Straße, die nach dem Ravensburger Altstadtring aussieht, muss er wieder halten. Der BMW ist nur noch einen Wagen hinter ihm. Plötzlich fällt ihm ein, dass die Ravensburger Altstadt denkmalgeschützt ist. Vermutlich würde er nur in einer Tiefgarage parken können.
    Dann sitzt er erst recht in einer Falle. Dunkle Gänge unter niedriger Decke, noch dunklere Ecken, ölfleckiger Betonboden. Niemand, der nachsehen kommt, was in einem finsteren Winkel vor sich geht.
    Er atmet tief durch. Die Ampel vor ihm schaltet auf Grün.
    Es ist später Vormittag. Er würde nicht der Einzige sein, der in der Tiefgarage unterwegs ist.
    Mit unbewegtem Gesicht steuert er die Tiefgarage Marienplatz an, fährt – während er den Schweiß auf seiner Stirn spürt – in die enge Einfahrtsschlucht und zieht das Parkticket.
    Hinter ihm rollt ein grünrostiger Daimler, Baujahr späte Siebzigerjahre, am Steuer ein rundköpfiger Einheimischer. Ein Tettnanger Hopfenbauer?
    Dahinter der BMW. Wer denn sonst.
    Grassl fährt langsam und suchend an den Parkreihen entlang, die Scheinwerfer eingeschaltet. Die Parkplätze sind alle belegt, er biegt in die zweite Ebene hinab, jemand versucht, einen Toyota auszuparken, Grassl wartet und hinter ihm der Daimler und der Stuttgarter BMW, der Jemand ist eine Frau und das Ausparken dauert, Grassl zieht eine nervöse Grimasse, was tun, wenn die beiden aussteigen und auf ihn zukommen? Die Frau hat es geschafft und fährt endlich davon, Grassl folgt ihr langsam und lässt die Parklücke frei für den Hopfenbauern, im Rückspiegel sieht er, dass der Daimler schräg in die Lücke gesteuert wird, so wird das nie was, guter Mann, aber besser kann ich das gar nicht treffen. Grassl folgt dem Toyota bis zur Ausfahrt und schließt dann auf.
    Wieder dauert es.
    Die Fahrerin muss die Scheibe herunterkurbeln, dann sucht sie nach dem Ticket, dann ist ihr Arm zu kurz, um das Ticket
einzustecken, Grassl ist versucht, wild auf die Hupe zu drücken, immer wieder sieht er in den Rückspiegel, die Frau öffnet die Fahrertür und schafft es schließlich, die Schranke geht auf und die Frau fährt so ruckartig los, dass Grassl Mühe hat, dicht hinter ihr zu bleiben und – Stoßstange fast an Stoßstange  – unter der Schranke gerade noch durchzukommen.
    An der Einmündung in den Marienplatz drückt er sich an ihrem Toyota vorbei, kein Stuttgarter BMW ist mehr zu sehen.
     
    In der Kneipe hängt der Geruch nass ausgewischter Aschenbecher, eine unausgeschlafene Kellnerin bringt ein Weizenbier für Sielaff und eine übergeschwappte Tasse Kaffee für Berndorf. »Prost!«, sagt Sielaff. »Ich denk, du bist der Alte geblieben? Aber als Blaukreuzler hab ich dich nicht gekannt, bei Gott nicht.«
    Missmutig betrachtet Berndorf die böse Schwiegermutter. »Ich hoffe, das da ist wenigstens heiß.«
    »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich«, sagt Sielaff fromm, nimmt einen lustvollen Schluck und wischt sich selbstzufrieden den Schaum ab. »Dieses Getränk da tust du allein dir selbst an.

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