Die schwarzen Raender der Glut
sie die Beamten der baden-württembergischen Polizei verwenden, mit einem stilisierten blau-grün-gelben Stern am Rand. »Das hat aber nichts zu sagen«, fügt der Mann hinzu. »Ich habe keine dienstliche Frage an Sie.« Franziska zuckt mit den Schultern. »Wir unterhalten uns besser draußen.« Sie geht ihm voran zum Ausgang. Was hat sie eigentlich in letzter Zeit geschrieben, dass es einen Bullen aufstört?
Im Vorraum des Sitzungssaals bleibt sie vor einem der wandhohen Außenfenster stehen und wendet sich um. Irgendwie ist es ihr nun doch, als hätte sie den Mann schon einmal gesehen.
Sie sieht sich noch einmal die Visitenkarte an. Kriminalhauptkommissar Irgendwer.
»Wir kennen uns«, sagt Berndorf. »Und das ist vielleicht das Schlimmste, was Ihnen passiert ist. Und mir.«
Ja, denkt Franziska. Ich kenne diesen Mann. Ihr Mund fühlt sich trocken an. Dunkle Haare damals, ein schmales, blasses Gesicht.
»These fucking . . .«, flüstert Brian. Er liegt auf dem Boden, nackt. Dann läuft Blut aus seinem Mund. Sie wirft sich auf ihn. Jemand zieht sie weg. Polizisten in Schutzwesten und mit Maschinenpistolen stürmen die Wohnung.
Sie atmet durch und sieht den Mann vor sich an. »Komisch«, bringt sie heraus. »Wie oft habe ich mir gedacht, Sie will ich noch einmal sehen. Und Sie dann fragen, was Sie sich denken. Wie Sie sich fühlen.« Sie versucht ein Lächeln. »Was haben Sie gerade gesagt? Das Schlimmste, was auch Ihnen passiert ist? Passiert ist es? Einfach so, Ihnen und dem anderen an der Tür?«
»Deswegen bin ich hier«, sagt Berndorf. »Wegen dieses anderen. Ich wollte Sie fragen, ob er versucht hat, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen.«
»Und warum wollen Sie das wissen?«
»Dieser andere, Wilhelm Troppau, hat sich vor zwei Tagen aufgehängt.« Berndorf sieht der Frau ins Gesicht. Erleichterung? Genugtuung? Nichts. Klare, graue forschende Augen. »Ich würde Ihnen gerne zwei Briefe zeigen, die er geschrieben hat. Lesen Sie sie, und entscheiden Sie dann, ob Sie mit mir reden wollen.« Aus der Brusttasche seines Jacketts zieht er die zusammengefalteten Seiten hervor und hält sie ihr hin.
Franziska sieht sich um. Neben den Aushängen mit den Gerichtsterminen ist eine Holzbank. Sie streckt die Hand aus und nimmt die beiden Briefe an sich. Dann geht sie zu der Bank. Berndorf will ihr folgen. Mit einer Handbewegung weist sie ihn an, am Fenster zu bleiben. Sie setzt sich und beginnt zu lesen.
Langsam schieben sich Kirchtürme und Dächer näher. Dann erkennt Florian Grassl den weißen Turm des Friedrichshafener Hafenbahnhofs. Er steht an der Reling und genießt den Fahrtwind und die Sonne, die ihm auf den Rücken brennt. Diesmal ist kein Stuttgarter BMW mit an Bord, und am Fährhafen würde auch keiner auf ihn warten.
Haben die beiden Burschen mitbekommen, dass die Käppis ihn mit der nächsten Fähre nach Deutschland remittiert haben? Selbst wenn.
Im Aufenthaltsraum hängt eine Panoramakarte des Bodensees, und er hat sie sich genau angesehen. Auf dem Landweg können sie die Fähre nicht mehr einholen, nicht über Lindau und nicht einmal über Konstanz.
Wahrscheinlich fahren die beiden sinnlos die Landstraße zwischen Romanshorn und Amriswil auf und ab. Und warten, dass er nachkommt. Sehr lustig.
Tatsächlich gibt es im Augenblick nur ein Problem. Was tun, wenn die Käppis die deutschen Grenzer angerufen haben? Dass sie einen Audi-Fahrer zurückgeschickt hätten, der nicht ganz richtig im Kopf sei?
Aber auch das wäre kein wirkliches Problem. Ach! Das ist mir aber außerordentlich peinlich, würde er sagen, ich war auf der Fahrt nach St. Gallen, zu einem wissenschaftlichen Meinungsaustausch über frühgeschichtliche alsatische Runenschriften, und Ihr Schweizer Kollege hat mich etwas – wie soll ich sagen – etwas harsch befragt, da bin ich leider wohl etwas ironisch geworden, wenn Sie verstehen, was ich meine . . .
Die Fähre schäumt in den Hafen ein, Grassl steigt ins Fahrzeugdeck hinab, rumpelnd dockt das Schiff an, rumpelnd rollt der Audi Minuten später über deutsche Planken ans Ufer, die Grenzer winken ihn weiter, niemand will etwas von ihm wissen, vielleicht sind die Käppis der Ansicht, merkwürdige Vögel gebe es auf dem Nordufer genug, da brauche man niemanden zu verständigen, vielleicht gibt es auch gar keinen kurzen Dienstweg zwischen Schweizer und deutschem Zoll.
Grassl steuert den nächsten Parkplatz an und stellt den Audi ab. Was nun? Er sieht sich um. Nirgends ein BMW mit
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