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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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geteilt, den sie Blümchen nannten . . . Für mich hat Steffens die neuen Italowestern rezensiert, als Handlungsanweisung für die Macht des Volkes, die aus den Gewehrläufen kommt. Schatte hatte ihm das beigebracht . . .«
    »Es war wohl so«, sagt Edeltraud nicht ohne Schärfe, »dass
Fränzchen das Feuilleton als Ablege für alle Kerle angesehen hat, die sie nicht mehr im Bett brauchen konnte. Weiß der Kuckuck, wie sie darauf gekommen ist.«
    Mitleid heischend sieht Rüdiger Volz zu Berndorf. »Was soll mann dazu sagen? Natürlich haben wir nicht scharf getrennt, die Befreiung der Produktionsverhältnisse ist in jenen Tagen auch eine solche des reproduktiven Bereichs gewesen ...« Volz krächzt kurz, es ist nicht zu unterscheiden, ob es ein Altherrenkichern ist oder das Lungenemphysem. »Edeltraud sieht das zu eng.« Volz hat sich ausgekrächzt. »Spät abends, kurz vor Andruck, kehrt in die Zeitungsredaktionen eine eigentümliche Stille ein, die Welt ist zur Ruhe gekommen. . . Wenn keine US-Präsidenten umgebracht werden oder die Russen nicht gerade in Prag einmarschieren, ist das die Stunde der Kontemplation . . . Bei mir hat dann oft noch das Licht gebrannt, wir haben diskutiert und Bier getrunken . . .«
    »Letzteres vor allem«, wirft die Ehefrau ein.
    ». . . einer der Galeerensklaven aus der Nachrichtenredaktion hat ein Andruck-Exemplar gebracht, oder Busse schaute herein, der Polizeireporter, bevor er zu den sinistren Treffpunkten aufbrach, wo er einen von seinen Knaben zu finden hoffte – schon deswegen keiner von Fränzchens Exen! Manchmal saß noch eine Langhaarig-Brünette aus Schattes Umkreis in der Ecke, sie hat irgendwelche finsteren Texte aus irgendwelchen obskuren französischen Cahiers übersetzt, das heißt, die Texte waren nicht bloß finster, sondern schwarz wie die Fahne des Anarcho-Syndikalismus, dabei war sie ein ganz liebes Mädchen, der Name will mir nicht mehr einfallen . . .«
    Berndorf lässt sich noch eine Tasse Tee einschenken.
    Ernst Sonstwas Schatte, Soziologe; Micha Steffens, Anzeigensetzer; der Galeerensklave Namenlos; Busse, schwul; Brünettchen Will-mir-nicht-Einfallen; Dr. Rüdiger Volz, Rentner; Elfriede Volz, Lehrerinnenblick; Blümchen, Anzeigenvertreter. . . Fahr nach Hause, Berndorf. Oder noch besser: Nimm den nächsten Flieger nach Berlin.
    Er setzt die Tasse Tee wieder ab und räuspert sich und fragt.
    »Erinnern Sie sich dran, dass einmal über eine silberne Kette gesprochen wurde? Dass jemand so etwas getragen hat, oder dass sie jemandem aufgefallen ist?«
    Nein, Dr. Rüdiger Volz schüttelt abweisend den Kopf, die Gedanken verweilen noch in den schönen revolutionären Tagen des republikanischen Aranjuez, der Geist der Utopie schwebt über dem stillsten Wasser, Django schmilzt Nschotschis Silberkette in das Blei seiner tödlichen Kugeln, oder war das Winnetou?
    Berndorf blickt fragend zur Gattin.
    »Nein«, sagt Edeltraud Volz und legt das halb gerauchte Zigarillo in den Aschenbecher, »ich habe Rüdigers Geisterstunden nicht so sehr geschätzt, müssen Sie wissen.« Außerdem müsse sie jetzt noch Zeugnisse schreiben. »Ich hoffe für Fränzchen, dass Sie etwas herausfinden, und ich hoffe es auch für Sie . . .«
    »Haben Sie Brian O’Rourke gekannt?«, fragt Berndorf rasch, ehe sie gehen kann. »Und wissen Sie, wie Franziska mit ihm zusammenkam?«
    Edeltraud Volz ist schon aufgestanden und hat sich zur Tür gewandt. Nun bleibt sie stehen. »Doch, das wissen wir.« Rüdiger Volz blickt unsicher. Er kann sich nicht erinnern.
    »Klar, dass du dich nicht erinnern kannst«, sagt Ehefrau Edeltraud und setzt sich wieder. »Es war im Quadrätche, am späten Vormittag, nach der Redaktionskonferenz.« Sie wendet sich an Berndorf. »Das Quadrätche war eine Kneipe, ein paar Schritte vom Verlagshaus entfernt. Fand man Rüdiger nicht im Büro, dann war er dort. Wir waren am Vorabend verabredet gewesen, wollten uns Clockwork Orange ansehen, aber er hatte mich versetzt, und nun wollte ich ihm sagen, dass es aus ist.«
    Dr. Rüdiger Volz blickt gequält.
    »Richtig, er saß hinten am Stammtisch, Fränzchen war bei ihm, und Busse wohl auch, wenn ich es noch recht weiß, als Trennungszeugen kamen sie mir gerade recht, an einem der Tische davor hockte dieser schreckliche Anzeigenakquisiteur
und wartete darauf, dass er jemanden mit seinen frommen Sprüchen ansülzen konnte . . . Ich steuere auf den Stammtisch zu, die Schultasche – ich hatte am Morgen noch eine Lehrstunde halten

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