Die schwarzen Raender der Glut
manchmal gekauft hat, morgens, auf dem Weg von seiner Wohnung in die Polizeidirektion, oder am Kiosk an der OEG-Haltestelle in Heidelberg, wenn er bei Barbara übernachtet hatte, damals, als die Welt jung war.
»Natürlich bekam ich mächtigen Ärger«, hört er Volz sagen, »die Betonköpfe im Unterbezirksvorstand verstanden nicht und nahmen übel, vor allem ein Parteisekretär, später im Bundestag und dort ein Hinterbänkler von herausragender Farblosigkeit, verfolgte mich mit seiner Inkompetenz . . . Schließlich gab er es auf und ließ uns gewähren, in einer dunklen Ahnung, dass es so besser sei.«
»Moment«, wirft Edeltraud Volz ein, »keine dunkle Ahnung.
Die Macher im Unterbezirk wussten ganz genau, dass der Aufbruch nach der Bundestagswahl ’72 eingestellt werden würde. Jeder Genosse wusste das, nur ihr nicht.«
Volz hebt beide Hände, Weinglas in der einen, Zigarette in der anderen. »Das Ewig-Weibliche, das uns auf dem Erdboden hält! Sicher war es so, wie du sagst. Aber ein paar schöne Monate waren es doch.«
Er wendet sich wieder zu Berndorf. »Ein junges Mädchen gehörte dazu, wilde Mähne, blanke Augen, frisch entheiratet, frisch in die Lokalredaktion eingetreten, viel zu aufgeweckt und zu tough — wie man heute sagen würde – für den Geschmack der Mannheimer Lokalfunktionäre . . . Fränzchen – denn meine Rede ist von ihr – schleppte dann ihren Ex an, einen düster blickenden Soziologen, der auf der Magazin-Seite noch düsterere Analysen über die prinzipielle Insuffizienz interaktionstheoretischer Kategorien veröffentlichte, suchen Sie dazu mal eine Illustration!« Er wendet sich wieder seiner Frau zu. »Erinnerst du dich an die Geschichte mit der Kakao-Bananen-Pampe?«
»Ich kenne sie auswendig«, antwortet Edeltraud, und ihre Stimme ist wenig ermutigend.
»Busse hat sie aufgebracht«, fährt Volz fort, unbeeindruckt, »der Polizeireporter Winfried Busse. Eines Tages kommt er in unsere Stammkneipe und erzählt, wie eine Frau in den Laden für Südfrüchte geht und dort eine Bananenstaude sieht, tropengoldfarben und knackfrisch, und die Frau kann nicht widerstehen und will sich ein Bündel davon abmachen, aber als sie zugreift, gleitet ein schmales grünes Band über die Bananen und züngelt ihr ins Gesicht, eine Grüne Mamba, gerade aus der Erstarrung des Kühlraums aufgetaut ... Busse bekam gar nicht genug davon, uns vorzuführen, wie die Frau aufschreit und wegkippt, er mochte das, kreischende Frauen nachmachen . . . Natürlich war alles frei erfunden, es war das schiere haltlose Gerücht. Aber wie nun Schatte – Ernst Moritz Schatte, Fränzchens Ex – das hört, setzt er sich an die Schreibmaschine und hackt mir ein Stück herunter über die Mütter,
die ihren Bälgern diese Kakao-Bananen-Pampe füttern und damit ein Gewaltverhältnis zu den armen westafrikanischen und guatemaltekischen Bauernfamilien errichten, weil deren Überleben davon abhängt, ob sich die Mannemer Mütter im Supermarkt diese oder jene Pampe aus dem Regal nehmen – ein scheinbar unwissend oder besser im Wortsinne unbewusst aufgebautes Gewaltverhältnis also, weil sich nämlich im Unbewussten dieser Mütter offenbar doch eine Ahnung vom Bedrohlichen dieses Gewaltverhältnisses halten müsse, eine Ahnung, die sich im obsessiven Gerücht von der Grünen Mamba Ausdruck verschaffe . . .«
»Das stand bei Ihnen so in der Zeitung?«, erkundigt sich Berndorf.
»Das stand so in der Zeitung«, bestätigt Volz. »Heute noch sehe ich den Parteisekretär vor mir, die Brille auf die Igelhaare hochgeschoben, wie er am nächsten Tag mit dem Blatt auf den Konferenztisch schlägt und herumbrüllt, durch diese Brühe lasse er sich nicht ziehen . . .«
Volz unterbricht sich und scheint nachzudenken. »Merkwürdig, was aus manchen Leuten geworden ist.« Dann nimmt er einen Schluck, stellt beruhigt fest, dass es ein Gau-Bickelheimer ist und keine Kakao-Bananen-Pampe, und fährt fort.
»Ja, wir haben dann auch so etwas wie einen Bitterfelder Weg unter den Bedingungen des Kapitalismus versucht, authentisches Schreiben , hat Fränzchen das genannt und dazu einen Anzeigensetzer aus der Aufbruch -Mettage gekeilt, Micha Steffens, ein anstelliger Junge. Wenn einer eine Wohnung gesucht hat, und Micha bekam eine Annonce herein, in der eine angeboten wurde, gab er einem einen Tipp, bevor noch die Zeitung erschien, aber man musste einen Hunderter rüberschieben oder zwei, er hat das dann mit einem Anzeigenvertreter
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