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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Gassen hockt die Hitze wie eine Bruthenne und hackt dem Menschen, der zu lange draußen bleibt, ins Gehirn. Eine der Gassen führt zu einer Kreuzung. Ein zweistöckiges Haus ist von der Hauptstraße so weit zurückgesetzt, dass es für einen Vorgarten reicht, im Erdgeschoss buckelt sich ein halbrunder Vorbau in staubige Rosenbeete, darüber der Balkon. Blau gestrichene Läden.
    Berndorf hat vom Bahnhof keine zehn Minuten hierher gebraucht, aber der Schweiß läuft ihm über das Gesicht. Er holt ein Taschentuch heraus und wischt sich übers Gesicht, während er bei Volz klingelt. Es dauert eine Weile, bis ein älterer magerer Mann in Jeans, die zu weit sind, und in einem Hemd, das zu kariert ist, im Hauseingang erscheint und mit luftloser Stimme krächzt: »Nur herein, wenn’s kein Bulle ist!«
    Berndorf öffnet das Gartentor und geht zum Hauseingang und drückt eine knochige Hand. Dr. Rüdiger Volz hat wirres rotes Haar mit grauen Strähnen und eine rote Gesichtsfarbe, die nicht von der Sonne kommt, und gelbe Finger, die von den filterlosen Roth-Händle kommen, von denen ihm eine im Mund hängt, und unter der knubbeligen Stirn betrachten den Besucher muntere blaue Augen.
    »Ihre freundliche Einladung stürzt mich ein wenig in Zweifel«, sagt Berndorf höflich. »Ich war Polizist, bis gestern, falls meine Entlassungsurkunde richtig datiert ist.«
    »Wer auf dem richtigen Wege ist«, antwortet Volz, »soll in diesem Haus nicht abgewiesen werden.«
    Er geht Berndorf voran durch eine Flurtür, die mit Glasbildern im Geschmack des Jahres 1910 ausgekleidet ist, in einen dunklen Korridor und dann in den Raum mit dem halbrunden Vorbau, durch dessen Fenster Licht auf übervolle Bücherregale
aus Fichtenholz und auf einen Tisch mit einem Strauß dunkelroter Rosen fällt. Berndorf wird in einen leise knarzenden Schaukelstuhl gesetzt und muss klarstellen, dass er kein Bier will und auch keinen trockenen Weißen aus Gau-Bickelheim und nicht einmal einen Obstschnaps. Enttäuscht bringt Volz ein Mineralwasser und sich ein einsames Glas Weißwein.
    »Fränzchen hat Ihnen meine Adresse gegeben, sagten Sie am Telefon«, stellt Volz fest und eröffnet damit. »Wie geht’s der alten Schlumpel denn so?«
    Berndorf stellt klar, dass er das leider nicht beurteilen könne. »Ich habe sie wegen Brian O’Rourke aufgesucht. Das ist der Mann, der 1972 in ihrer Wohnung erschossen wurde . . .«
    »Seien Sie versichert, Verehrtester, dass wir uns alle sehr gut daran erinnern«, unterbricht ihn Volz. »Aber erzählen Sie mir nicht, dass die Polizei diese«, er sucht nach einem Wort, »dieses Verbrechen nun doch noch aufklären will. Das würde ich Ihnen nicht glauben.«
    »Der Polizist, der die tödlichen Schüsse abgegeben hat, hat sich vor zwei Tagen erhängt«, fährt Berndorf fort. »Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    »Rührend«, sagt Volz. »Ein Abschiedsbrief. Er bittet um Verzeihung, wie? Spät kommt Ihr . . .«
    »Ich habe damals den Einsatz gegen Frau Sinheims Wohnung geleitet«, antwortet Berndorf. »Der Abschiedsbrief ist an mich gerichtet. Ich soll herausfinden, wie es zu diesem Einsatz gekommen ist.«
    Volz lässt das Weinglas sinken und fingert nach einer neuen Roth-Händle. Eine stämmige Frau mit langen braunen Haaren betritt das Zimmer. Berndorf steht auf und wird ihr vorgestellt, es ist die Ehefrau: »Edeltraud, das ist der Polizist, du wirst es nicht glauben, der damals für diesen Überfall verantwortlich war, damals, als der Freund von Fränzchen . . .«
    Die Ehefrau Edeltraud setzt sich und betrachtet Berndorf mit ruhigem ernstem Lehrerinnenblick, noch einmal muss er seine Geschichte erzählen, ein Hausierer des Unglücks und der Schuld, bald wird er sich komisch vorkommen.

    »Herausfinden kann ich aber nur dann etwas«, fügt er hinzu, als er mit seiner Geschichte fertig ist, »wenn ich mehr über die Umstände und Beziehungen weiß, in denen Brian O’Rourke und Franziska Sinheim damals gelebt haben.«
    »Das kommt mir aber reichlich salvatorisch vor, Verehrtester«, wirft Volz ein. »Müsste die Polizei hier nicht erst einmal vor ihrer eigenen Tür kehren?«
    Berndorf nickt demütig. Fatzke, denkt er. Und erzählt von Troppaus Selbstanzeige, und wie die Staatsanwaltschaft das niedergebügelt hat.
    Dann sagt eine Weile niemand etwas, und Berndorf betrachtet den Strauß mit den dunkelroten Rosen, der auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers steht. Warum fährt er nicht zurück, zurück nach Heidelberg, wenn er

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