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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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müssen – im Schlepptau, und ehe ich mich’s versehe, bleibe ich mit der Tasche an dem Stuhl von diesem Blümchen hängen und komme vor lauter Hast und Hass ins Stolpern und wäre längelang auf den Kneipenboden geflogen, wenn mich nicht ein einzelner Gast aufgefangen hätte, der an der Theke stand. Noch heute höre ich, wie er sagt, dass so reizende Frauen keine so abscheulichen Schultaschen sollten tragen müssen . . . Sein Deutsch ist nahezu perfekt, aber er spricht es mit diesem liebenswürdigen insularen Akzent, dann geleitet er mich bis zum Stammtisch und zu Rüdiger, der wieder mal nur dasitzt ...«
    Sie unterbricht sich und betrachtet ihren Ehemann. »Manchmal denke ich, du hast dich seither wirklich nicht sehr verändert.«
    Unwillkürlich betrachtet auch Berndorf den Ehemann. Sie hat Recht, denkt er.
    Volz greift zum Weinglas.
    »Das war es dann auch schon«, fährt die Ehefrau fort. »Irgendwie war mir der richtige Ansatz für meine Trennungsarie abhanden gekommen, Rüdiger bedankte sich bei dem fremden Gast für sein promptes Eingreifen und bat ihn an den Tisch, Jakupp der Säufer brachte eilends eine Runde Schnaps, und Fränzchen überfiel mich mit tausend Entschuldigungen, die Betriebsgruppe des Journalistenverbands hätte am Abend zuvor zu einer spontanen Plenarversammlung aufgerufen wegen eines angeblich neuen verlegerischen Konzeptes für den Aufbruch . . . Sie sehen ja, was aus meinen Vorsätzen geworden ist.«
    »Was Sie erzählt haben, lässt eigentlich einen anderen Fortgang erwarten«, wendet Berndorf höflich ein.
    »Sie vergessen Fränzchen«, antwortet die Ehefrau. »Ich weiß nicht mehr, wie es kam, aber plötzlich hat sie dieses Funkeln in den Augen, ebenso plötzlich fällt ihr ein, an der Jukebox
fünf Mark für Schnulzen einzuwerfen . . .« Unvermittelt bricht Edeltraud in Gesang aus, sie hat einen etwas zu tiefen Lehrerinnen-Alt, aber trifft sehr schön einen Ton, an den sich Berndorf durchaus zu erinnern glaubt:
    »Vogelfrei war mein Herz bis heut . . .« Ebenso unvermittelt, wie er begonnen hat, bricht der Gesang wieder ab, Dr. Rüdiger Volz stellt das Glas, das er erschreckt zur Brust genommen hat, vorsichtig auf den Tisch zurück, und die Gattin fährt mit normaler Stimme fort.
    »Erinnern Sie sich? Vicky Leandros war das, ich hab’s noch immer im Ohr, und noch immer rieche ich diesen Kneipengeruch und sehe uns zu. Rüdiger und ich essen Bratkartoffeln mit Spiegelei, Busse hat sich gedrückt, Jakupp der Säufer kippt ein Stützbier, aber Fränzchen und der Gast mit dem aparten Akzent lehnen an der Jukebox und schauen sich an und albern über Vicky und machen sie nach, wie sie singt . . .«
    Sie hebt den Kopf und bricht erneut in Gesang aus:
    »Dann kamst Du, und mit Dir kam die Liebe . . .«
    Ganz schnell hört sie wieder damit auf und lächelt Berndorf verlegen an.
    »Also dass wir bei Jakupp jemals Bratkartoffeln gegessen hätten, glaub ich dir nicht«, wendet Rüdiger Volz ein.
     
    Es war kein Döner, sondern eine Currywurst, und die Wurst war labberig und die Tomatentunke schmierig süßsäuerlich und die Cola nachklebend chemisch, und der Mensch, der neben ihr seine Bratwurst schlang, hatte sie angesehen wie . . . Birgit will lieber nicht wissen, wie er sie angesehen hat, es war ein untersetzter vierschrötiger Mensch in einem verschmierten Overall, und sein Lastzug war auf dem Parkplatz neben dem Imbiss abgestellt, ein komischer Lastzug war das, nicht mit Planen, sondern die Aufbauten holzverschalt, und der Mensch hatte sich die Bratwurst in den Mund gesteckt, und sie dann angesehen, und die Bratwurst hing ihm dabei zum Mund heraus. Wenigstens hat sie jetzt keinen Hunger mehr. Zum dritten Mal an diesem Tag parkt sie unter der Sequoia, jedes
Mal ein wenig näher am chefärztlichen Anwesen, weil der Schatten wandert, das muss doch den Leuten auffallen, denkt sie, wie machen Detektive das? Falls es die in Wirklichkeit überhaupt gibt und nicht bloß in Fernsehkrimis, in denen der Detektiv dann umgebracht wird, weil er mehr herausgefunden hat, als er soll.
    Birgit kommt ins Tagträumen und stellt sich vor, wie bei Chefarzts die schweren Limousinen vorfahren und Männer mit schwarzen Sonnenbrillen aussteigen und die Geldkoffer anschleppen, mit denen die fünfte Lebertransplantation für einen kuwaitischen Scheich bezahlt wird . . . Ach Quatsch, das ist ein Endokrinologe, der transplantiert doch keine Lebern, was tun Endokrinologen eigentlich? Ich muss mal nachgucken. Und was

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