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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Wortreich hatte Ernst Moritz Schatte die Krokodilstränen analysiert, die der internationale Monopolkapitalismus über das Schicksal sowjetischer Dissidenten wie Bukowski verliere, Micha Steffens hatte Schulmädchen- und Hausfrauenreports streng unter dem Gesichtspunkt überprüft, ob es unter den Bedingungen der Marktwirtschaft denn eine andere als eine prostituierte Sexualität geben könne, und eine Birgit Schiele hatte über Carlos Saura und seinen Film »Anna und die Wölfe« geschrieben, das heißt, sie hatte erzählt, wovon dieser Film handelt, wenigstens etwas, dachte Berndorf, als er es las.
    Volz hatte ihm bei der Lektüre über die Schulter gesehen, als sei es ihm selbst ein immer neues Wunder, was da aus seiner Feuilleton-Stube ans Tageslicht einer wie auch immer verkauften Zeitung gekrochen sei. Sehen Sie doch nur, schien er zu sagen, wie frech und aufmüpfig wir waren! Was aus seinen Autoren wurde, wusste er freilich nur ungefähr; Schatte sei heute wohl Professor in Freiburg, wenn er es recht wisse, und lehre leider allerhand krudes Zeug, Birgit Schiele – »keine Ahnung, sie wird einen ihrer Professoren geheiratet haben und im Sommer die Festspiele von Avignon besuchen . . .«
    Franziska? »Die saß im Knast, weil niemand unschuldig sein kann, dem die Polizei einen Menschen abknallt, und bis sie nach einem halben Jahr wieder herauskam, gab es den Aufbruch nicht mehr.«
    Und Micha Steffens? Ja, das sei wirklich merkwürdig. »Der war plötzlich weg, ohne Kündigung, von heute auf morgen, ich glaube sogar, das war unmittelbar nach der Geschichte mit O’Rourke. Wir sind damals alle von der Polizei nach ihm befragt worden, vielleicht haben Sie oder Ihre Kollegen ihn auch umlegen lassen, und dann waren es zu viel Tote, und den einen
haben Sie vertuscht ...« Er hatte das ganz freundlich gesagt, so, als käme es auf einen Toten mehr oder weniger nicht mehr an.
    Berndorf notierte, was ihm von Volzens Geplauder im Sinn geblieben war. Was soll er damit anfangen? Darüber will er lieber nicht nachdenken, verschwitzt und müde und eingeräuchert von Volzens Roth-Händle. Am liebsten will er an gar nichts denken. Das heißt, er denkt, Barbara könnte anrufen, und schaltet sein Handy ein. Nichts rührt sich.
    Links sieht er die Fabrikanlagen der BASF Ludwigshafen. Nun denkt er doch etwas.
    Ich will hier weg. Da ist nichts, was ich noch zu tun hätte. Er schließt die Augen, aber das hilft nichts, denn er sieht die grauen Augen Franziska Sinheims und die geschlossenen Augen Troppaus und hört Troppaus schwerfällige Stimme: Warum eine silberne Kette? Und er hört Franziska: Finden Sie etwas über jenen Anrufer heraus . . .
    Das sagst du so, Mädchen. 28 Jahre ist das her. Du findest nicht mal heraus, wer gestern der alten Oma am Telefon vorgelogen hat, ihr einziges Enkelkind sei vom Lastwagen totgefahren worden. Und wenn ich es herausfinde? Dann ist es ein gesetzestreuer Bürger gewesen, der der Polizei behilflich sein wollte. Einer, der nur seine Pflicht getan hat. Der sich ein bisschen geirrt hat. Irren Sie sich nie, Herr Hauptkommissar?
    Der Zug verlässt Ludwigshafen, links unter sich sieht Berndorf den Rhein, in der Dämmerung dunkel schimmernd talwärts ziehend, zielstrebig und leise jaulend. Mit einem Griff hat Berndorf das Handy ans Ohr genommen und die Gesprächstaste gedrückt. »Wo bist Du?«, will Barbaras klare helle Stimme wissen.
    »Iwer der Brick«, antwortet Berndorf und berichtet. Was er jetzt machen wird? Zurückfahren wird er nach Heidelberg, ins Hotel gehen und unter die Dusche, und dann versuchen, nicht an den Sommer 1972 zu denken.
    »Ruf mich an, wenn du geduscht hast!«

     
    Über die Autobahn zwischen Lahr und Offenburg rauscht dichter Freitagabendverkehr, auf der linken Spur fegen aufgeregte Freiburger, Schweizer und Franzosen heimwärts, vor Birgit fährt ein Lastzug, der Anhänger hat keine Planen, sondern holzverschalte Wände. Den hab ich schon einmal gesehen, denkt Birgit, und wieder sieht sie die Imbissbude in Neckargemünd vor sich, sieht den Fahrer, dem die Bratwurst unterm Glotzen aus dem Maul hängt, es graust ihr, sie will überholen, aber hinter ihr schert ein überladener Türkenkombi auf die Überholspur und schiebt sich langsam an ihr und an dem Viehtransporter vorbei.
    Im Autoradio versteigert ein Sprecher die Staumeldungen, 14 Kilometer am Offenbacher Kreuz, 27 am Biebelrieder Dreieck, Birgit versucht ein weiteres Mal, auf die linke Spur zu wechseln, ein Benz mit

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