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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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mittendrin.
    Wahrscheinlich lässt sich das hin und wieder gar nicht so genau unterscheiden. Wie war das nochmal mit dem Auge des Taifuns?
     
    Berndorf hat lange geduscht, den Schweiß, den Rauch, den Dreck eines Sommertages abgewaschen. Nun trocknet er sich ab und greift, das Badetuch noch über den Schultern, zum Handy und ruft die Nummer auf, die dort als Erste gespeichert ist.
    »Geduscht?«, fragt Barbaras Stimme.
    »Ja«, antwortet Berndorf, leicht befremdet.
    »Gut.« Und schon bricht der Anruf ab. Schritte nähern sich
über den Korridor, die Tür wird geöffnet und auf tritt, grünäugig, Venus im knappen Bademantel, dessen sie sich sogleich entledigt.

Allmählich wird es Samstag, 1. Juli
    Mitternacht rückt näher schon, am Stammtisch verabschieden sich die Handwerker, die am nächsten Morgen zur Schwarzarbeit müssen. Die ersten Tische werden aufgestuhlt, der Adler-Wirt wirft einen misstrauischen Blick ins Lokal, links tagt oder nächtet eine verhockte Seminarrunde, rechts unter dem gerahmten Mannschaftsfoto der Rugby-Mannschaft von 1912 steckt immer noch das späte Paar die Köpfe zusammen, die Dame sitzt vor einem Auggener Schäf, der Herr vor einem Mineralwasser.
    »Diese Franziska ist ein kurz entschlossenes Mädchen«, fasst Barbara zusammen, was Berndorf soeben über seinen Besuch in Bobenheim berichtet hat. »Und die Gattin Volz registriert das ohne jeden Weichzeichner.«
    Das sei ihm auch aufgefallen, sagt Berndorf. »Aber vorerst hab ich’s zur Seite gelegt. Mich stört, dass jeder Schwätzer mich auf diese Irish Connection anspricht. Natürlich war es auffällig, wie der Innenminister das damals dementiert hat . . .«
    Barbara runzelt die glatte weiße Stirn. »Der Bloody Sunday von Londonderry war im Januar 1972, und die IRA ist damals ziemlich kalt erwischt worden. Das hat Volz nicht aus einem schlechten Thriller, sondern das war wirklich so. Ob aber die IRA damals einen Waffenaufkäufer hierher geschickt hätte, müsstest du eigentlich besser beurteilen können als ich.«
    Heute wäre es möglich, denkt Berndorf. Heute kannst du dich auf jedem besseren Heimwerkermarkt mit Kalaschnikows eindecken und dem pfiffigen tschechischen Sprengstoff,
der die Leute in so handliche Portionen zerteilt, dass du damit die Tauben füttern kannst. Aber damals? »Das hat sie ganz sicher nicht«, meint er schließlich. »Als seriöser Terrorist hat man sich zu jener Zeit das Gerät in Libyen oder bei den Scheichs besorgt.« War O’Rourke aber womöglich ein Emissär, einer, der Geld beschaffen oder Kontakte knüpfen sollte, vielleicht zur westdeutschen RAF?
    Ein Emissär, aber ja doch. Einer, der Bier verkaufen wollte.
    »Ich glaube es auch nicht«, meint Barbara sanft, nachdem sie ihm beim Denken zugesehen hat. »Irgendwie hab ich ein Problem, mir eine Mannheimer Kneipe, die Quadrätche heißt, als den Treffpunkt der internationalen terroristischen Szene vorzustellen. Apropos. Du hast da etwas erzählt von diesem Soziologen, den Franziska im Feuilleton abgelegt hat. Weißt du den Namen noch?«
    Aus seiner Jackentasche holt Berndorf den Notizblock, auf dem er während der Rückfahrt im Zug festgehalten hat, was ihm vom Gespräch mit Volz noch in Erinnerung war.
    »Schatte, Ernst Moritz«, entziffert er.
    Barbara lacht, halb verwundert, halb amüsiert. »Du weißt, dass du ihn kennst?«
    Berndorf weiß es nicht. Barbara betrachtet ihn mit großen grünen Augen. »Hier hast du ihn getroffen. In dieser Kneipe. An unserem ersten Abend. Als wir uns das zweite Mal getroffen haben. Es hat ihm nicht gepasst, dass wir miteinander geredet haben. Was danach war, hätte ihm noch weniger gefallen.«
    Berndorf erinnert sich. Vor allem an das Danach. »Du hast ihm gesagt, er soll das Maul halten. Irgendwie fand ich es einen überraschend wenig akademischen Ausdruck.«
    »Nein«, sagt Barbara und schüttelt den Kopf, »ich sagte nicht, halt das Maul. Ich nannte ihn bei seinem Namen. Den, den er nicht gern hört.«
    Sie unterbricht sich und zögert. »Ich kenne die Geschichte nur vom Hörensagen, und vielleicht ist sie auch böswillig verzerrt. . . Es muss in den späten Sechzigerjahren gewesen sein,
bei einer Demonstration in Köln gegen die Erhöhung der Straßenbahntarife, Ernst Moritz Schatte vorneweg mit dem Megafon. Aber dann kamen eure Leute mit ihren Greifertrupps, und als sie sich Schatte krallen wollten, hat er die Flüstertüte rasch einem Kommilitonen in die Hand und sich selbst zur Seite gedrückt . . .«
    »Die

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