Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
klingt, und als der Aufbruch dann
Knall auf Fall eingestellt wurde, weil sich die Bonzen mit den Großverlagen arrangieren wollten – da hab ich das als persönliche Niederlage empfunden, als einen Verrat an einer Sache, die mir damals sehr wichtig erschien.«
    Das Gespräch endet damit, dass Birgit die Anruferin am Nachmittag zum Kaffee erwartet, der Mitarbeiter der Anruferin sei gleichfalls willkommen, und man sehe sich dann um 16 Uhr. »Stell dir das vor«, sagt Birgit, nachdem sie den Hörer aufgelegt hat, »das war eine Berliner Professorin, und sie will eine Geschichte über die alten Arbeiterzeitungen machen, weißt du eigentlich, dass ich mal für eine von diesen Postillen geschrieben habe? Das war der Aufbruch in Mannheim, lange vor unserer Zeit . . .«
    Von einem Aufbruch hat Hubert noch nie gehört, auch nichts von der journalistischen Vergangenheit seiner Frau, aber das will nichts heißen, denn Hubert ist Musiklehrer und liest außer Noten und Konzertkritiken eher nichts. »Was dagegen, wenn ich joggen geh, solange diese Professorin da ist?«, fragt er.
    Birgit schaut ihn an, und das kokette Lächeln von vorhin ist wieder weg. »Aber sicher doch, Katerchen. Ich weiß schon, dass dich das nicht interessiert . . .«
    Ich hätte sie danach fragen sollen, was das für Artikel waren, geht es Hubert Höge durch den Kopf. Aber so etwas fällt ihm immer zu spät ein. So ist er nun einmal. Jedenfalls hat er jetzt eine gute Stunde Zeit herausgeholt. Eine gute Stunde, um sich dem Problem Miriam zu widmen.
     
    Der Mann im grünen Kittel wirft einen prüfenden Blick auf die Frau, die neben der Kriminalkommissarin Tamar Wegenast steht, dann schlägt er die Decke auf, die über den Schragen gebreitet ist. Kaltes Neonlicht fällt auf ein geschrumpftes blutentleertes Gesicht, in dem zwei Augen geschlossen sind.
    Aber wie ein großes, entsetzenvolles drittes Auge klafft auf der Stirn ein Loch, das sich auch nach dem Tod nicht schließen lassen will.

    Nun sieht auch Tamar zu der Frau hin, es ist nicht nur ein behutsamer, sondern auch ein ahnungsvoller Blick, denn unterm Zusehen wird Margarethe Zundt bleich und bleicher, sie blickt kurz nach links zu Tamar, dann nach rechts, wo der Polizeihauptmeister Leissle steht, genannt Orrie, um dann doch langsam nach links an Tamars Seite zu kippen. Das ist insofern eine glückliche Entscheidung, als es sich bei Margarethe Zundt um eine hoch gewachsene Person handelt, die – bis sie von Orrie hätte aufgefangen werden können – bereits eine erhebliche Fallgeschwindigkeit erreicht haben würde.
    Denn dass PHM Leissle, genannt Orrie, hoch gewachsen sei, hat wirklich noch niemand behaupten wollen.
    Eilends kommt auch schon der Mensch in dem grünen Kittel und bringt eine Trage, auf die man die Ohnmächtige betten kann. Mit seinen dunklen, traurigen transsilvanischen Augen betrachtet der Aufseher die Witwe Zundt, die Augen gleiten an der lang gestreckten Gestalt entlang, die in allerlei handgewebten blaugrünen Röcken und Jacken steckt, verweilen ein wenig bei den langen weißblonden Haaren und den arischen Jochbögen – dann bricht der Blick ab, ertappt, denn Tamar hat den Aufseher scharf ins Visier genommen.
    Du saugst keiner ohnmächtigen Witwe das Blut aus. Und von Seelenwanderung fängst du schon gleich gar nicht an.
    Der Aufseher nickt demütig, weil schon wieder jemand ihn und sein höheres Wissen nicht versteht, und zusammen mit Orrie trägt er die irdische Hülle hinaus, die nicht zu Margarethe Zundts Astralleib gehört. Tamar folgt ihnen und stellt fest, dass die Witwe alsbald wieder zu sich kommt. Ein pakistanischer Assistenzarzt muss sie erst überreden, sich den Blutdruck messen zu lassen, aber eine Spritze geben lässt sie sich nicht und auch kein Beruhigungsmittel, nur ein Glas Wasser. »Junger Mann«, sagt sie zu dem Pakistani und betrachtet missbilligend seinen dunklen Teint, »dem Tod sieht der nordische Mensch klaren Verstandes und unerschrocken ins Gesicht.«
    Du altdeutsche Grete, warum fällst du dann um, denkt Tamar. »Das verstehe ich sehr gut«, antwortet höflich der Pakistani.
»Alle Menschen tun gut daran, den Tod wahrzunehmen, wie Sie sagen. Trotzdem wäre es besser, wenn Sie sich jetzt von jemandem nach Hause begleiten ließen.«
    Wenig später sitzen sie wieder in dem Dienstwagen, mit dem sie Margarethe Zundt am Ulmer Hauptbahnhof abgeholt haben, und Orrie fährt sie an den Äckern und Wiesen der Alb vorbei, im Sommerdunst locken die

Weitere Kostenlose Bücher