Die schwarzen Raender der Glut
baumbestandenen Hügel mit ihrem schützenden Schatten.
Um ein Gespräch anzuknüpfen, berichtet Tamar, wie sie mit Hilfe des Ortsvorstehers den Hausmeister der Akademie ausfindig gemacht hat. »Einen Augenblick«, sagt sie und blickt suchend auf ihren Notizblock ...
»Sie meinen Freißle«, hilft Margarethe Zundt, »er wird bei seinem Schwager gewesen sein, auf dem Hof helfen.«
Tamar bedankt sich und fährt fort. »Freißle hat uns dann sagen können, wo wir Sie erreichen. Sie haben in Sonthofen ein Seminar gehalten, habe ich das richtig verstanden?«
»Es waren Tage der Einkehr«, stellt die Witwe richtig. »Tage der Besinnung. Der Besinnung auf das verborgene Wissen.«
Für einen Augenblick huscht durch Tamars Kopf die höchst alberne Vorstellung eines Nordischen Lesbos, eines mittsommernächtlichen Lagerfeuertreibens nackter blondflechtiger Nazissen, die blondeste und schamhaargekräuseltste von allen darf mit der Lagerführerin ins Heidekraut . . .
Ach, Schnüss!
»Sie sind Polizistin?«, fragt in diesem Augenblick die Lagerführerin. »Tragen Sie denn keine Uniform?«
Würde dich das wohl anmachen? Beige Diensthose, breitärschig geschnitten, Pistolenhalfter drüber? Tamar erklärt, dass sie Kriminalbeamtin ist und dass Kriminalbeamte keine Uniform tragen.
»Aber das verstehe ich nicht«, sagt Margarethe Zundt. »Was hat die Kriminalpolizei mit dem Tod meines Gatten zu schaffen? Das ist doch ein Unfall, ein schrecklicher, oder verheimlichen Sie mir etwas?«
»Ihr Mann ist diesen Franzosensteig hinabgestürzt«, antwortet
Tamar vorsichtig. »Der Steig war gesperrt, aber mit den richtigen Schuhen wäre es wohl nicht passiert . . .«
»Was reden Sie da!«, fährt Margarethe Zundt auf. »Mein Gatte kennt die Alb wie seine Westentasche. Und er weiß, welches Schuhwerk er tragen muss.«
»Als wir ihn fanden, trug er Straßenschuhe«, gibt Tamar sanft zur Antwort. »Schwarze Straßenschuhe mit Ledersohlen.«
»Das kann nicht sein«, beharrt die Witwe.
»Das ist auch dem Ortsvorsteher aufgefallen«, sagt Tamar. »Es war einer von zwei Gründen, warum er uns gerufen hat.«
Margarethe Zundt wendet den Kopf. Blassblaue Augen gleiten Tamars Nackenlinie entlang. »Und was ist der andere Grund?«
»Der andere Grund ist der Wagen Ihres Mannes. Der Ortsvorsteher hat ihn in der Nähe des Steigs gefunden. Das Auto ist demoliert.«
»In Deutschland sollten wir deutsch sprechen, junge Frau. Es war also doch ein Unfall?«
»Nein«, sagt Tamar. »Es war kein Unfall. Irgendjemand hat mit Holzprügeln auf das Auto eingeschlagen. Er hat es sehr lange und sehr gründlich getan. Außerdem hat er die Reifen zerstochen. Hatte Ihr Mann eigentlich Feinde?«
Die Witwe betrachtet sie mitleidsvoll.
»Aber Kindchen!«, sagt sie dann. »Mein Gatte war politisch tätig, gewiss nicht im Rampenlicht, denn das hat er nie gesucht. Aber er hat im Verborgenen gewirkt, in sehr schwierigem, gefahrvollem Auftrag, das dürfen Sie mir glauben! Wie sollte er da keine Feinde gehabt haben . . .«
Birgit hat den Rechaud angezündet und die Teekanne darauf gestellt, jetzt sieht sie sich noch einmal prüfend um. Gedeckt ist auf der Terrasse, die Markise schützt vor der Sonne, die nun steil einfällt. Nach kurzem Zögern hat sich Birgit dann doch für das Wegdwood-Service entschieden, aber nur etwas englisches Gebäck dazugestellt, es soll nicht so aussehen, als
würde sie ein Kalb schlachten. Auf dem Boden, etwas abseits, steht ein Teller mit frischem Katzenfutter.
Hubert ist tatsächlich zum Jogging entflohen. Irgendwie gibt ihr der Gedanke daran einen Stich. Wenn er nicht selbst im Mittelpunkt steht, muss er davonlaufen. Sie zuckt die Achseln, dann rückt sie die Träger ihres leichten grüngelben Sommerkleides zurecht, es ist aus Rohseide, für die Schule hätte sie es nicht angezogen. Sie hat etwas Puder aufgelegt, denn ihre Wangen sind ein wenig zu voll und röten sich zu leicht. Im Arbeitszimmer hat sie die Mappe mit ihren Zeitungsausschnitten herausgesucht, eigentlich ein kleines Wunder, denkt sie, dass sie sie noch gefunden hat. Zeigen freilich wird sie die Mappe erst, wenn sie danach gefragt wird. Dann schlägt die Türklingel an, Birgit geht zur Haustüre, vor ihr steht eine schmale Frau mit kurzen dunklen Haaren, an den Falten um die Augen sieht Birgit, dass die Professorin Barbara Stein eher älter ist als sie selbst. Und nach Birgits Geschmack ein wenig zu alt für ihr sehr kurz berocktes hellbeiges Leinenkostüm.
Birgit
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