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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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zögert kurz. »Übrigens war ich damals nicht die Einzige, die für den Aufbruch schreiben wollte. Einer meiner damaligen Freunde gehörte auch dazu, Moritz . . .« Sie unterbricht sich und blickt forschend auf ihr Gegenüber. »Ich könnte mir vorstellen, Sie kennen ihn auch, Ernst Moritz Schatte . . .«
    Barbara nickt. »Wir lagen nicht ganz auf gleicher Wellenlänge«, antwortet sie, und in ihrer Stimme liegt ein etwas reservierter Ton. »Aber durch ihn weiß ich erst, dass es dieses Aufbruch -Projekt überhaupt gab. Wir wollen ihn übrigens als Nächsten aufsuchen.« Sie wirft einen kurzen Blick auf ihren Assistenten, damit dieser – vermutet Birgit – das Gefühl hat, er gehöre auch dazu.

    »Ja«, sagt Birgit zusammenhanglos, »aber was wollen Sie nun eigentlich von mir wissen?«
    »Uns interessiert, wie das Umfeld reagiert hat«, erklärt Barbara. »Sehen Sie, da ist ein fest gefügtes, abgeschottetes politisches Milieu, kämpferisch und unerschütterlich vertritt man die Meinungen des Unterbezirksvorstandes, und da kommen nun junge Leute und wollen die Welt neu erklären . . . Was passiert da? Wie geht man damit um?«
    Das habe sie sich nie so recht überlegt, gesteht Birgit. »Ich glaube, damals hat man es von den jungen Leuten erwartet, dass sie so etwas tun. Die Welt neu erklären, wie Sie sagen. Oder sie sogar neu erfinden. Vielleicht haben auch die alten Professoren, die in ihren muffigen Talaren, insgeheim geahnt, dass etwas Neues kommen muss. Heute ist das anders. Die 68er«, sie bedenkt Barbara mit einer weiteren Schnellprägung des silberhellen Lächelns, »kämen auf einen solchen Gedanken gar nicht erst. Sie glauben noch immer, dass sie selbst das Neue sind.«
    Im Hintergrund hört man ein weiches plumpsendes Geräusch. Dann macht es rrrt! und die rote Katze erscheint auf der Terrasse. Misstrauisch äugt sie zum Teetisch, scheint aber alsbald beruhigt und widmet sich mit aufgeplustertem Schwanz dem Teller.
    »Ist sie nicht schön?«, fragt Birgit stolz. »Sie ist mir zugelaufen. . .«
    Der Assistent räuspert sich. »Hat es keine Konflikte gegeben? Mit der Chefredaktion oder der Anzeigenleitung?«
    Birgit betrachtet ihn nachdenklich. Irgendwie klingt er nicht nach Hörsaal. Die Haltung ist auch falsch. Oder sind es die Schultern? Nicht die eines Assistenten. Also?
    Er ist ihr Beischläfer. Passt auch besser zu ihr als der kurze Leinenrock. »Sicher hat es Konflikte gegeben. Da gab es einen kleinwüchsigen cholerischen Menschen, der immer in Hosenträgern herumlief, die Brille auf den Kopf geschoben, wenn man ihn sah, wusste man, dass es Ärger gab. Einmal . . .« Sie schüttelt den Kopf. »An Details kann ich mich nicht erinnern.
Das hat alles Rüdiger aufgefangen und abgefedert. Wie er es gemacht hat, weiß ich nicht. Vielleicht hatten die Chefs sich irgendwann abgewöhnt, das Feuilleton zu lesen.«
    Der Assistent-Beischläfer scheint nicht zufrieden. »Wie haben die anderen Redakteure das alles aufgenommen? Gab es Gespräche, Diskussionen über das journalistische Selbstverständnis? Oder hatten Sie keine weiteren Kontakte?«
    Birgit zögert. »Zu tun hatte ich nur mit Rüdiger.« Sie überlegt. »Und Rüdiger ist mehr monologisch veranlagt. Natürlich habe ich im Feuilleton auch andere Mitarbeiter kennen gelernt. Und wenn Sie in einem solchen Verlagshaus aus und ein gehen, begegnen Sie zwangsläufig auch Redakteuren aus anderen Ressorts, auf dem Flur und in der Kantine. Oder auch in der Kneipe. Unweit vom Verlagshaus, im nächsten Block, gab es ein ausgesprochen düsteres Loch. Journalisten und Setzer haben dort abends das letzte Bier heruntergeschüttet. Oder morgens das erste. Manchmal war ich mit Rüdiger dort, heute ist es mir unfassbar, dass ich mir das angetan habe.«
    »Sie erinnern sich an niemanden mehr?«
    »Eigentlich sind es nur noch einzelne Gesichter, Namen bringe ich nicht mehr zusammen.« Sie zögert wieder. »Dass ich nichts Falsches sage. An Micha Steffens kann ich mich erinnern. Ein Setzer oder Metteur, der sich als Filmkritiker versucht hat. Sehr wilde Sachen. Vielleicht auch komische. Ich will es lieber nicht nachlesen.«
    »Wissen Sie, was er später gemacht hat?«
    Birgit schüttelt nachdrücklich den Kopf. »Näheren Kontakt hatten wir nicht. Übrigens habe ich beim Aufbruch nur ein sehr kurzes Gastspiel absolviert. Leider oder Gott sei Dank. Das jämmerliche Zeilenhonorar hat die Mühe und den Ärger über sinnlose Kürzungen nicht gelohnt. Und in den

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