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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Schultern doch etwas zu breit geraten.« Sie lacht, und das Lachen perlt silberhell über den Teetisch.
     
    Am Horizont säumt dunkler Waldrand den Albtrauf. Das Sträßchen, auf dem sie von Wieshülen kommen, schlängelt sich über einen Hügel, und der breit hingelagerte, von Kastanien umgebene Fachwerkbau der Johannes-Grünheim-Akademie kommt in Sicht. Orrie fährt den Dienstwagen auf den gekiesten Vorplatz und parkt unter Bäumen neben einem rostfleckigen Golf. Dann steigt er aus und hält Margarethe Zundt die Wagentür auf.
    Wir sollten dir eine Chauffeursuniform schneidern lassen, denkt Tamar. Dunkelblau, hochgeschlossen, Orrie. Was glaubst du, wie die alten Damen auf dich fliegen.
    Ein Mensch mit einer rot geäderten Nase kommt auf sie zu. Er hat sich in einen schwarzen Anzug gezwängt und eine schwarze Krawatte um den Hals gebunden. Lang und verlegen drückt er der Witwe die Hand, Unverständliches murmelnd.
    »Ich danke Ihnen«, sagt die Witwe, »Freißle, ich habe meinen Gatten verloren, und Sie einen guten Herrn.«
    Gerührt schnieft Freißle durch die rot geäderte Nase.
    Das kann ja wohl nicht wahr sein, denkt Tamar und wendet sich Kuttler zu, der aus dem Eingangsportal des Fachwerkbaus heraustritt und mit dem Daumen hinter sich zeigt.
    »Die Witwe tickt nicht richtig«, flüstert sie, als sie mit Kuttler durch das Portal in eine mit abgeblassten Teppichen ausgelegte Halle tritt. Im Sonnenlicht tanzen Staubpartikel. An den Wänden hängen keine Hirschgeweihe, sondern gerahmte Schwarzweißfotografien von Männern mit gescheitelten Haaren und akkurat gebundenen Krawatten. Aus manchen Kragen quellen massige Speckwülste, aus anderen wieder recken sich faltige magere Rechthaberhälse mit vorspringenden Adamsäpfeln dem Betrachter entgegen. Tamars Blick bleibt
an dem Bild eines Mannes mit schütterem, quer über den Kopf gekämmtem Haar hängen. Das Gesicht des Mannes ist von lächelnder Jovialität überzogen, als habe man sie mit einem Zwei-Komponenten-Kleber befestigt.
    »Was ist das für eine politische Scheiße, in die wir getreten sind?«, hört sie Kuttler halblaut neben sich fragen.
    »Ich selbst kann mich nicht erinnern«, sagt Tamar und deutet auf das Bild des Großen Lächelnden, »aber es gibt Fotos von mir, auf denen dieser da unseren Kindergarten besucht und ich ihm einen Blumenstrauß hochreichen muss. Ich weiß nicht, warum mir diese Kindergarten-Kühe so etwas angehängt haben. Vermutlich, weil ich besonders drollig aussah.«
    Kuttler wirft von der Seite einen Blick zu ihr hoch. Drollig? Kaum, denkt er. »Ich würde dir gerne was vorspielen«, sagt er dann und geht ihr voran zu einem Telefon, das auf einer Konsole neben der weit geschwungenen Treppe steht, die ins Obergeschoss führt. Das Telefon gehört zu einer ISDN-Anlage, und eine Anzeige blinkt. Kuttler gibt Tamar den Hörer und drückt auf einen Knopf. Eine gedämpfte Stimme dringt an Tamars Ohr:
    »Tut mir Leid um den Audi, Herr Zundt, aber sie haben mich erwischt, und leider sind auch die beiden Pakete weg, ich konnte gar nichts machen. Ich rufe vom Krankenhaus aus an, mein ganzes Gesicht ist verbunden, ich hoffe, Sie können mich trotzdem verstehen. Wenn ich besser sprechen kann, melde ich mich wieder.«
    Tamar und Kuttler sehen sich an.
    »Wer ist denn das?«, fragt Tamar. »Klingt, als ob er sich ein Tuch vor den Mund hält.«
    »Ich nehme an, ein gewisser Herr Grassl«, antwortet Kuttler. »Er ist hier in der Akademie eine Art wissenschaftlicher Mitarbeiter, so viel ich dem Hausmeister entlockt habe, wissenschaftlich in dem Sinne, dass er sonst nichts gemacht hat . . .«
    In diesem Augenblick geht die Türe auf und der Ortsvorsteher Jonas Seifert betritt die Halle, und während er auf sie zukommt,
lässt die von draußen einfallende Sonne sein schütteres Haupthaar ganz eigentümlich aufleuchten.
    »Ich habe gehofft, dass ich Sie hier antreffe«, sagt Seifert und entschuldigt sich, dass er die Ulmer Beamten schon wieder in Beschlag nehme. »Aber wissen Sie schon etwas über den Todeszeitpunkt?«
    Tamar weiß auch nur, was der Gerichtsmediziner Dr. Kovacz ihr als vorläufige Annahme gesagt hat. »Zundt ist gestern gestorben, um die Mittagszeit oder am frühen Nachmittag.«
    Seifert hebt abwägend die Hand. »Viel hilft das nicht weiter. . . Es ist wegen des Autos. Gestern Vormittag ist nämlich nicht Zundt, sondern ein Herr Grassl mit Zundts Audi unterwegs gewesen. Grassl ist, wenn ich das richtig weiß, eine Art Bibliothekar in

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