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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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schwarze Telefon, ein abgegriffenes Telefonbuch und einen hohen grauen Steinkopf mit merkwürdig geschlitzten Augen. Einzelne der Bücherregale haben unten vorspringende Schrankfächer und darüber Konsolen, auf denen sich ein Buch oder sonst ein Schriftstück ablegen lässt. Auf einer der Konsolen liegt ein dicker, kleinformatiger Band in schwarzem Kunststoff, aufgeschlagen und mit den Seiten nach unten. Was hat Kuttler hier zu feixen? Sie blickt ihn strafend an.
    »Die Nachricht«, sagt er halblaut. Erst jetzt fällt ihr wieder ein, was auf den Anrufbeantworter gesprochen worden war. Sollten sich die unschätzbaren Aufzeichnungen in den Paketen
befunden haben, scheint Zundt davon gewusst zu haben. Sie nimmt den Band auf, der auf der Konsole liegt, es ist eine Loseblattsammlung: das amtliche Handbuch des Deutschen Bundestags, Legislaturperiode 1998–2002.
    Laut sagt Tamar, dass sie und ihr Kollege jetzt prüfen wollten, ob die Spurensicherung zugezogen werden soll. »Diese Beamten würden feststellen, ob sich hier Fremde Zutritt verschafft haben.« Sie blickt von dem Handbuch zur Witwe auf. »Wir bräuchten zuvor aber eine Liste der Gegenstände und Aufzeichnungen, die Sie vermissen.«
    Der Hefter der Loseblattsammlung ist aufgeklappt, und von dem Blatt rechts bleckt das kleinformatige Porträt des Abgeordneten Theophil Schnatzheim – Staatspartei, Rheinland-Pfalz  – zu ihr hoch.
    Die Witwe streckt die Hand nach ihr aus, oder vielmehr macht sie eine Bewegung, als ob sie das tun wolle. Dann lässt sie die Hand wieder sinken. »Aber Kindchen! Natürlich waren Fremde hier ...«
    Tamar nickt artig und sagt rasch, dass sie ihr gerne glaube. Auf dem Blatt, das vor jenem des MdB Schnatzheim eingeordnet ist, finden sich Porträt und biografische Angaben der Abgeordneten Gabriele Schnaase-Schrecklein. Tamar legt das Handbuch auf die Konsole zurück und notiert sich zwei Namen auf dem Stenoblock, den sie in der Jackentasche bei sich führt. Dann wirft sie einen Blick auf die Bücherreihen in dem Regal vor ihr, zieht sich einen Band heraus und betrachtet ihn, ohne ihn aufzuschlagen. Offenbar ist ihr nicht bewusst, dass ihr sowohl die Witwe als auch Kuttler und der Prophet dabei zusehen. Sie stellt den Band zurück und holt sich, aus einer anderen Regalreihe, den nächsten heraus.
    »Kindchen, was tun Sie da?«
    Tamar stellt auch das zweite Buch zurück, ohne es aufgeschlagen zu haben, und nimmt sich das dritte. »Haben Sie oder Ihr Mann die Bücher in letzter Zeit abstauben lassen?«
    Die Witwe lässt ein kurzes, bassgeigenhaft-tiefes Lachen erklingen. »Ich bin hier nicht die Putzfrau.«

    »Sicher nicht«, meint Tamar und kündigt an, dass sie jetzt versuchen wird, etwas über das beschädigte Auto herauszufinden. Noch einmal nickt sie der Witwe zu und verlässt eilig das Studierzimmer, ehe noch einmal das Wort Kindchen an ihr Ohr dringen kann. Die beiden Männer folgen ihr.
    Nachdenklich sieht Margarethe Zundt ihnen nach. Dann atmet sie tief durch, steht auf und geht zum Schreibtisch, wo sie das Telefon zu sich herzieht.
     
    »Spurensicherung is nich«, sagt Kuttler und schüttelt den Kopf. »Das mit dem Tresor«, er zeigt auf die braunlackierte Tür des Studierzimmers, »ist eine interne Geschichte.«
    »Ja?«, macht Tamar und sagt nichts weiter.
    »Es hat jemand die Bücher durchgesehen«, schlägt der Prophet vor. »Sie haben es am Staub bemerkt. Daran, wo er nicht ist.« Bingo, will Tamar sagen. Aber dann schaut sie ihn nur an und nickt.
    »Yeah, Miss Marple.« Das ist Kuttler. »Und was lernt uns das?«
    »Vielleicht sollten wir doch nach der Spurensicherung schicken«, meint Tamar. »Aber das muss ich dann doch mit Englin absprechen.«
    Wenig später steigen Seifert und Tamar in den alten Ford-Kombi des Ortsvorstehers, auf dem Rücksitz stemmt sich Felix schniefend hoch, verfällt in heftiges Wedeln seines Schwanzstummels und schiebt seinen dicken Hundekopf über die Rückenlehne an Tamars Ohr. »Platz!«, sagt Seifert, aber Tamar meint, so streng müsse er nicht sein, dreht sich um und krault Felix hinter den Ohren. Seifert startet und der Kombi rumpelt mit altersschwachen Stoßdämpfern über die Auffahrt.
    »Erzählen Sie mir etwas über den jungen Mann, den wir besuchen?«
    Das sei eine längere Geschichte, antwortet Seifert bedächtig. »Es hat mit einer Sau zu tun.« Dann muss er schalten.
    »Ich sagte Ihnen doch«, fährt er schließlich fort, »dass mein
guter Marz Erwin auf einmal ganz zugeknöpft

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