Die schwarzen Raender der Glut
Jeans und Gummistiefel.
Seifert hält hinter dem Wagen, der dort abgestellt ist; es ist ein alter BMW, neu lackiert, mit Rallyestreifen und Weißwandreifen. Seifert und Tamar steigen aus, der Hund Felix folgt ihnen, gewandt über den Rücksitz springend. Die jungen Leute sehen ihnen abweisend entgegen, Seifert und Tamar und der Hund sind so willkommen wie der Gerichtsvollzieher am Polterabend.
Tamar bemerkt, dass die Frau ein gerötetes Gesicht hat, wie es nicht von der Sonne kommt. Polterabend? Die beiden haben gestritten, denkt sie.
Seifert grüßt und macht alle miteinander bekannt: »Das hier ist die Kriminalkommissarin Wegenast aus Ulm, und das hier sind die Christa Waldner und der Lothar Jehle. Frau Wegenast hätte gerne mit dem Lothar gesprochen, da habe ich mir gedacht, vielleicht finde ich ihn hier.«
»Ich versteh nicht, was Sie das angeht, ob der Lothar hier ist«, sagt Christa. »Ich glaube nämlich, dass das gar niemand etwas angeht.«
Tamar nickt zustimmend.
»Er ist ja nun einmal hier«, antwortet Seifert versöhnlich. »Und vielleicht ist das ganz gut so. Es muss ja niemand sonst wissen, was wir hier reden.«
Tamar wendet sich an den jungen Mann. Er ist ein stämmiger Kerl mit einem kräftigen Zinken im Gesicht.
Tamar erklärt, was sie wissen will. Dass der Herr Zundt zu Tode gestürzt ist. Dass man seinen Wagen nicht weit davon
gefunden hat. »Das Auto war ziemlich beschädigt. Vorsätzlich beschädigt.« Und dass jeder einen Zusammenhang annehmen muss, solange es keine bessere Erklärung gibt.
»Verstehen Sie«, fasst Tamar zusammen, »wenn dieses Auto mit dem Tod von Herrn Zundt nichts zu tun hat, interessiert es mich nicht. Aber das kann ich erst entscheiden, wenn ich genau weiß, was hier gelaufen ist.« Sie sieht dem jungen Mann in die Augen. Doch die bleiben verschlossen und trotzig.
»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen«, kommt es schließlich abweisend. »Der Herr Zundt geht mich nichts an, und sein Auto auch nicht.«
Tamar wirft einen Blick auf die junge Frau. Es ist ein bittender, Verständnis heischender Blick. Christa zögert. Zu viert stehen sie vor dem Traktor. Die Sonne wirft lange schwarze Schatten. Felix legt sich zu Füßen seines Herrn ins Gras. Nichts ist zu hören, nicht einmal eine Lerche.
Ich nehm ihn jetzt einfach mit, denkt Tamar. Das geht mir alles zu lange. Glaubt ihr eigentlich, ich hätte niemanden zu Hause, der auf mich wartet?
»Sag es ihnen«, sagt Christa in die Stille. »Erzähl ihnen alles. Warum ihr diesen Unsinn gemacht habt. Erzähl es ihnen, damit nicht alles noch schlimmer wird.«
Hubert Höge parkt den Wagen im Carport und steigt verschwitzt aus, denn er ist gerade auf der Bergstraße zum Heiligenberg einen guten Kilometer gerannt. Hinauf und wieder hinunter. Reine Vorsichtsmaßnahme. Wenn er gesagt hat, er geht joggen, dann muss er verschwitzt heimkommen. Außerdem traut er es Birgit zu, dass sie sonst riecht, was von Miriam an ihm ist.
Der Besuch aus Berlin ist entweder nicht gekommen oder zum Glück schon wieder weg. Höge legt die Autoschlüssel auf die kleine Kommode, dazu den Geldbeutel und was er sonst in der Tasche seiner Sporthose hat, wieso hat er da eigentlich solchen Papierkram drin, dann geht er ins Wohnzimmer, Birgit
sitzt vor dem Fernseher und schaut sich ein Tennismatch an. Der Ton ist abgestellt, dafür hat sie die Kopfhörer aufgesetzt. Scarlatti? Oder ein Flötenkonzert von Mozart? Jedenfalls ist das keine Art, Musik zu hören, denkt Höge und weiß, dass Birgit gar nicht Musik hört. Und auch nicht Wimbledon guckt.
Birgit ist sauer.
Höge winkt ihr mit der Hand zu und geht ins Bad. Was für ein Tag, denkt er. Jetzt das, und davor die Szene mit Miriam. Großes Klagelied mit Rezitativ und Arie:
Freuen darf sich Miriam und ihr Herz singen! Hubert hat sich ein Stündchen davongeschlichen. Für ein Stündchen von Birgit davon. Ein Stündchen für ein Nümmerchen mit Miriam. Mit der kleinen Miriam. Der es genügen muss, wenn Hubert sie zwischen dem Joggen kurz mal durchbürstet. Für ein ganzes Wochenende muss ihr das genügen, der kleinen Kuh. Die sich noch immer und immer wieder in die Tasche lügt. Die Theaterkarten besorgt, weil sie wahrhaftig glaubt, Hubert würde mit ihr auf die Schwetzinger Schlossfestspiele gehen, ein einziges Mal nur . . .
Höge zieht sich aus. Vorsichtig nimmt er seinen Schwanz in die Hand. An einer Stelle ist die Haut wund, wie aufgescheuert. Dreimal gestern Abend. Einmal heute Morgen mit
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