Die schwarzen Raender der Glut
Birgit. Dann am Nachmittag noch einmal Miriam. Als die Arie kein Ende nehmen und er gehen wollte, hatte sie ihm ins Gesicht geworfen, was gerade zur Hand war, Theaterkarten, seine Autoschlüssel, die Rhein-Neckar-Zeitung, und wie er die Hände hoch genommen hatte, um den Hagel abzuwehren, war sie ihm an die Hose gegangen. Schließlich hatte sie es sich auf dem Sessel besorgen lassen. A tergo. Da hatte es schon wehgetan. Was für ein Stress. Und immer ist eine nicht zufrieden. Er dreht die Dusche auf und wartet, bis das Wasser warm wird.
Bloß: Für Birgits miese Laune kann er nichts. Diesmal nicht. Irgendetwas ist mit dem Besuch schief gelaufen. Er steigt unter die Dusche. Das ist doch das Schönste am Joggen.
Nach dem Abtrocknen sucht er in der Hausapotheke, was
er auf die wunde Stelle tun kann. Er findet nichts. Wenn es nicht besser wird, muss er in die Apotheke. Aber was zum Teufel ist es, was er da hat? Schließlich zieht er sich Jeans und ein T-Shirt an und geht in die Küche. Aus dem Kühlschrank holt er sich Apfelsaft, den es neuerdings nicht in der Flasche gibt, sondern in einer grünen Tüte aus beschichtetem Papier, und er muss erst eine Schere holen und eine Ecke aufschneiden, ehe er sich ein Glas voll gießen kann. Dann zieht er die Türe unter der Spüle auf, sodass sich gleichzeitig der Abfalleimer öffnet.
Als er das abgeschnittene Ende hineinwerfen will, sieht er, dass der Eimer bis oben hin voll ist mit Dosen von Katzenfutter. Die Dosen sind ungeöffnet.
Vorsicht!, denkt Höge. Da ist etwas schief gelaufen. Und zwar gründlich. Ein stilles Lächeln zieht sonnig über sein Gesicht.
»Ach Hubert!«, ruft es aus der Diele. »Was für eine reizende Idee. Schwetzingen!«
»Und wie er sich dann so hingestellt und angefangen hat, durch seinen Feldstecher zu glotzen, sind wir zu ihm hin und haben ihn gefragt, was das soll«, berichtet Jehles Lothar, »also ganz ruhig haben wir ihn das gefragt, aber dann hat er auch schon geschrien wie die Sau, wenn sie abgestochen wird, und ist weg und ab ins Gebüsch.«
Tamar sieht zu, wie er sich mit der schweren Hand übers Gesicht fährt, um sich den Schweiß abzuwischen. Beim Schreien wirst du ein bisschen nachgeholfen haben. Dass der Spanner auch einen Grund dazu hat.
»Und das war der Herr Grassl?«, Seifert will es genau wissen.
»Was weiß ich, wie der heißt«, antwortet Jehle trotzig. »Er ist drüben auf dem Gut.«
»Wenn er auf dem Gut wohnt, wieso fährt er dann mit dem Auto zum Schafbuck?«
Jehle zuckt nur mit den Schultern.
»Da stimmt doch etwas nicht«, hakt Seifert nach. »Ihr sagt, der Mann, der euch beobachtet hat, kommt vom Gut. Er schleicht sich also zum Schafbuck, so hab ich das verstanden.« Jehle und Waldners Christa nicken einträchtig mit den Köpfen. »Gut«, fährt Seifert fort. »Er schleicht durch den Wald, weil er selbst nicht gesehen werden will. Schön oder nicht schön, solche Menschen gibt es. Aber wieso kommt er dann auf einmal mit einem Auto, von dem jeder weiß, wem es gehört, und von dem jeder das Nummernschild ablesen kann?«
Jehle guckt und schwitzt.
»Der war nicht zum ersten Mal mit einem Auto da«, meldet sich Christa zu Wort. »Der kam auch schon mit einem BMW. Der oder ein anderer.« Ihr Gesicht glüht, was auch diesmal nicht von der Sonne kommt, wie Tamar vermutet. »Wir haben zuerst gedacht, der Wagen gehört zu einem Spaziergänger oder einem Ausflügler. Aber es war schon am Abend, und da gehen dort keine Fremden spazieren, eigentlich niemand tut das um diese Zeit.«
»Ein jegliches Ding hat seine Zeit«, sagt Jonas Seifert dunkel und nickt. Tamar will wissen, ob einer der beiden das Kennzeichen notiert hat.
Christa sagt nichts und schaut sie nur an.
Was eine blöde Frage, geht es Tamar auf. Die beiden waren mit etwas beschäftigt, bei dem man einen Bleistift zur Hand eher selten oder nie hat.
»Es war ein blauer BMW, Siebener-Baureihe«, meldet sich Jehles Lothar zu Wort, froh, etwas zum Gespräch beizutragen, was Hand und Fuß hat und jedenfalls nicht gelogen ist. »Und die Nummer war eine Stuttgarter.«
Die Schatten der Bäume, die die Sonne auf der Neckarwiese wirft, werden länger. Barbara hat sich ins Gras gesetzt, und Berndorf legt seinen Kopf in ihren Schoß.
Nicht zu alt für so etwas? Mit schrägem Blick geht ein akademischer Nachwuchsgreis an ihnen vorbei, den Schönfelder
unterm Arm und den Bierzipfel seiner Verbindung am Gürtel. Die beiden im Gras achten nicht auf ihn.
»War das
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