Die Schwarzen Roben
Überraschungsangriff erspürt worden war.
Maras Supai blies eine Locke aus rotgoldenem Haar von seinen Lippen und sagte gelassen: »Sehe ich Keyoke heute so ähnlich, daß du es für nötig gehalten hast, meine Reflexe zu testen?«
Justin kicherte und wand sich; es gelang ihm, das Spielzeugschwert aus lackiertem, mit Einlegearbeiten verziertem Holz hochzuheben. »Ich habe Keyoke heute schon zweimal getötet«, krähte er stolz.
Arakasi legte die Stirn in Falten. Er veränderte seinen Griff, überrascht über die Kraft, die notwendig war, um den kleinen Jungen festzuhalten. Ganz sicher war er der Sohn seines Vaters, mit derselben unverschämten Einstellung und Beinen so lang wie die einer Corani, einem antilopenähnlichen Wesen, das für seine atemberaubende Geschwindigkeit berühmt war. »Wie viele Male hat Keyoke dich heute getötet, Racker?«
Justin blickte verlegen drein. »Viermal.« Er fügte einen unhöflichen Ausdruck in der Sprache der Barbaren hinzu; wahrscheinlich hatte er ihn von einem der Soldaten aufgeschnappt, die Kevin nahegestanden hatten. Arakasi merkte sich insgeheim, daß die Ohren des Jungen so schnell waren wie sein Verstand; das Kind war nicht mehr jung genug, um die Älteren nicht zu belauschen. »Ich habe das Gefühl, es ist längst Schlafenszeit für dich«, meinte der Supai anklagend. »Wissen deine Zofen, daß du noch wach bist?« Er machte sich daran, in die Richtung weiterzugehen, in der die Gemächer des Jungen lagen.
Justin schüttelte den Kopf, und die Locken flogen hin und her. »Sie wissen nicht, wo ich bin.« Er lächelte stolz und sah dann bestürzt aus, als Zweifel in ihm aufstiegen. »Ihr werdet es ihnen doch nicht sagen? Ich werde dann sicher bestraft werden.«
Arakasis Augen funkelten. »Unter einer Bedingung«, sagte er ernst. »Du wirst mir als Ausgleich für mein Schweigen etwas versprechen müssen.«
Justin blickte ihn feierlich an. Dann hob er, wie er es bei den Soldaten gesehen hatte, wenn sie eine Schuld beim Würfelspiel besiegelten, die geschlossene Faust und berührte mit dem Daumen die Stirn. »Ich halte mein Wort.«
Arakasi unterdrückte mit Mühe ein Grinsen. »Also gut, ehrenvoller junger Herr. Du wirst keinen Laut von dir geben, wenn ich dich in dein Schlafzimmer bringe, und du wirst dich ohne Aufsehen zu erregen auf deine Matratze legen, die Augen schließen und sie erst wieder öffnen, wenn du aufwachst, und zwar morgen früh.«
Justin brüllte auf, als er den Betrug erkannte. Ganz wie sein Vater, dachte Arakasi, als er den protestierenden Jungen zu seinen Gemächern schleppte. Auch Kevin wollte niemals das Protokoll beachten – oder den Anstand. Er war ehrlich, auch wenn es eine offene Beleidigung war, und log, wenn es ihm gefiel. Er paßte ganz und gar nicht zu einem gut geführten tsuranischen Haushalt, doch das Leben war sicherlich weniger unterhaltsam geworden, seit er durch den Spalt zurück nach Midkemia gegangen war. Selbst Jican, der meist die Zielscheibe von Kevins Spaßen gewesen war, hatte wehmütige Bemerkungen über seine Abwesenheit fallenlassen.
In echter Bewahrung der Form hörte Justin mit dem Geschrei auf, sobald sie die Schwelle zu seinem Zimmer erreicht hatten. Sein Wutanfall war es nicht wert, den Zorn der Zofen zu riskieren. Er hielt sich an sein Ehrenwort als Krieger, als Arakasi ihn unter die Laken steckte; doch er schloß nicht sofort die Augen. Statt dessen blickte er entrüstet auf, als Arakasi neben ihm stehenblieb und wartete, bis er schließlich den Kampf gegen die Müdigkeit verlor und in den tiefen und gesunden Schlaf eines kleinen Jungen fiel.
Der Supai zweifelte nicht daran, daß er sich wieder aus dem Zimmer gestohlen hätte, wenn er nicht dageblieben wäre, um ihn an sein Ehrenwort zu erinnern. In vielerlei Hinsicht war der Junge mehr ein Midkemier als ein Tsurani, etwas, das seine Mutter und sein Stiefvater bestärkt hatten.
Ob sich sein untsuranisches Wesen im Erwachsenenalter als Vorteil erweisen oder ob es den Namen und den Natami der Acoma noch verletzlicher gegenüber Jiro und seinen Verbündeten machen würde, konnte niemand wissen. Arakasi seufzte, als er durch den Laden hinausschlüpfte und den mondbeschienenen Garten durchquerte. Als er die Gemächer erreichte, die er bei seinen seltenen Aufenthalten auf dem Landsitz bewohnte, zog er seine jüngste Verkleidung aus, die eines mit billigen Juwelen umherziehenden Hausierers. Er badete in mittlerweile lauwarmem Wasser, unwillig, Zeit damit zu verlieren,
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