Die Schwarzen Roben
sie stolperten beide auf den Boden, atemlos, zerzaust und ganz und gar unernst.
»Mylord und Gemahl, wir scheinen ein Problem zu haben, nämlich einen gewissen Mangel an Erben.«
Seine Finger waren bereits damit beschäftigt, die restlichen Bänder ihres Untergewandes zu lösen. »Lujans Wachen patrouillieren nachts am Ufer.«
Sie lächelte ihn wieder an, und ihre Zähne blitzten weiß in der Dämmerung. »Dann gibt es gleich mehrere Gründe, weshalb wir keine Zeit verlieren sollten.«
»Das«, sagte Hokanu unbekümmert, »dürfte wohl kaum ein Problem sein.« Und dann verschwendete keiner von ihnen mehr seinen Atem zum Sprechen.
Der langersehnte und häufig zum Streitthema gemachte Erbe der Shinzawai mußte in dieser Nacht empfangen worden sein, entweder unter freiem Himmel oder später auf den duftenden Kissen in ihren Gemächern, nachdem sie noch ein Glas San-Wein getrunken hatten. Sechs Wochen später wußte Mara es genau. Sie kannte die Zeichen, und obwohl sie sich beim Aufwachen elend fühlte, hörte Hokanu sie morgens singen. Sein Lächeln war bittersüß. Im Gegensatz zu ihr wußte er, daß dieses Kind ihr letztes sein würde – das einzige Wunder, das die Heiler aus der Priesterschaft Hantukamas hatten vollbringen können.
Erst als er zufällig die Küchenjungen und den Bastard eines Maklers aus dem Haushalt der Acoma darüber spekulieren hörte, kam es ihm in den Sinn, daß das Kind auch ein Mädchen sein könnte. Er ließ die Angelegenheit jedoch auf sich beruhen und kümmerte sich nicht um die Wetten, die um das Geschlecht des Kindes in den Unterkünften der Bediensteten und Soldaten abgeschlossen wurden.
Er konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, daß Maras letztes Kind, der zukünftige Erbe seiner Familie, womöglich kein Sohn sein sollte.
Die Sorglosigkeit, mit der die Schwangerschaft begonnen hatte, wich angesichts der Vergiftung und der Attentatsversuche auf Verbündete der Acoma bald einer anderen Stimmung. Lujan verdreifachte die Patrouillen und kümmerte sich persönlich um die Wachposten an den Straßen. In den Türmen des Gebetstors über dem Eingang am See waren immer Wachen, und ständig war eine Kompanie Krieger in Bereitschaft. Doch der Herbst kam, die Needra wurden zum Markt getrieben, und der Handel verlief ohne Störungen. Es fand kein einziger Überfall auf die Seidenkarawanen statt, was jedoch so ungewöhnlich war, daß es niemanden beruhigte. Jican verbrachte pausenlos vor sich hinmurmelnd Stunden über ganzen Bergen von Rechentafeln. Nicht einmal der Überschuß an Einnahmen schien ihn zufriedenzustellen.
»Die Natur ist häufig dann besonders großzügig, wenn der große Sturm droht«, grollte er pessimistisch, als Mara sich darüber beklagte, daß sein hastiges Voranschreiten ihr Nackenschmerzen verursache. Der dicke, schwere Bauch krümmte ihren Rücken, und es war ihr unmöglich mitzugehen, um seinen Berichten zu lauschen.
»Es ist viel zu still«, sagte der kleine Hadonra und ließ sich wie ein vom Pfeil getroffener Vogel auf die Kissen vor Maras Schreibtisch fallen. »Das gefällt mir nicht. Und ich bezweifle, daß Jiro unschuldig herumsitzt und die Nase in Buchrollen vergräbt.«
Es waren Nachrichten von Arakasis Agenten gekommen. Tatsächlich saß Jiro nicht müßig herum; ganz im Gegenteil, er hatte Maschinenbauer und Schreiner angeheuert und ließ sie auf dem früheren Truppenübungsplatz seines Vaters seltsam aussehende Maschinen bauen. Es war nur zu wahrscheinlich, daß die Ausrüstung für Belagerungen gedacht war, und durch geschickt gestreute Gerüchte hatte Lord Hoppara von den Xacatecas den alten Frasai von den Tonmargu überzeugen können, deshalb kaiserliche Gelder bereitzustellen. Arbeiter hatten damit begonnen, die Risse in den Stadtmauern Kentosanis auszubessern und die Schäden an der inneren Zitadelle des Kaisers in Ordnung zu bringen, die noch von dem Erdbeben stammten, das der abtrünnige Magier Milamber Jahre zuvor heraufbeschworen hatte, als er bei den Kaiserlichen Spielen seinem Zorn freien Lauf gelassen hatte.
Als der Herbst ins Land zog und die Regenzeit sich näherte, war Mara genauso unruhig wie ihr Hadonra, ohne jedoch wie er auf und ab schreiten zu können. Ihre einzige Abwechslung war Justins achter Geburtstag, als Hokanu ihm sein erstes richtiges Schwert schenkte, keine Spielzeugwaffe für Kinder. Er hatte die gutgearbeitete kleine Klinge mit feierlicher Miene entgegengenommen und dem Impuls widerstanden, sie durch die Luft zu
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