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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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bekam, würde sie so lange in Kentosani bleiben müssen, bis es in der Lage war, die Unbilden einer Reise zu überstehen.
    Maras Finger verkrampften sich um die feuchte Robe, als wollte sie die kräftigen Stöße des ungeborenen Kindes unterdrücken. Eine unbestimmte Angst beschlich sie, als wären alle Kräfte gegen sie. Acoma, Shinzawai und der Kaiser – sie alle würden weder warten noch ruhen, bis die als Erben vorgesehenen Kinder die für ihre Entwicklung notwendigen Jahre verbringen konnten.
    Die Sänfte senkte sich und kam mit einem leichten Ruck zum Stehen. Mara setzte sich aufrecht hin, als die Vorhänge zurückgeschoben wurden und blendendes Licht hereinströmte. Sie erreichte den Palast und war so tief in ihre Gedanken versunken, daß sie erst jetzt das Fehlen der lärmenden Menge bemerkte; die einfachen Leute schrien und riefen noch, doch aus weiter Ferne, von der anderen Seite des vergoldeten Weges, der in das Kaiserliche Viertel der Stadt führte.
    »Mylady?« fragte Saric. Der Erste Berater reichte ihr die Hand zum Aussteigen. Incomo war bei dieser Reise nicht dabei, sondern hatte Hokanu begleitet, um ihm bei der Abfertigung der Gäste zu helfen, die zur Beerdigung auf das Anwesen der Shinzawai kommen würden. Immer noch in den Dreißigern hatte Saric viel gelernt, seit er die Soldatenuniform abgelegt hatte, um das Amt des Beraters einzunehmen. Mara hatte lange gezögert, ehe sie ihm das Amt offiziell übertragen hatte, und eine Weile Incomo für diese Position in Erwägung gezogen, da er bereits bei den Minwanabi in dieser Funktion gearbeitet hatte. Doch am Ende hatte sie dem Urteil seiner Vorgängerin vertraut: obwohl sie ihn ständig schalt, hatte Nacoya, Maras frühere Erste Beraterin, eine hohe Meinung von seinem scharfen Verstand und der flinken Auffassungsgabe gehabt. Saric erwies sich als gute Wahl. Mara schaute auf und sah in seine haselnußbraunen Augen, und der Mann starrte sie mit einem Lächeln auf den Lippen an, das dem von Lujan sehr ähnelte.
    »Was denkt Ihr, Mylady?« fragte er, als er ihr aus der Sänfte half. Das Leuchten in seinen Augen strafte die Unschuld der Frage Lügen, und als er sah, daß auch seine Lady dies dachte, kicherte er. Wie Lujan gab er sich häufig unförmlich, manchmal bis an die Grenze der Unverschämtheit.
    Trocken betrachtete sie seine gutgearbeitete, aber ansonsten eher schlichte Reiserobe. »Ich denke, wir sollten ein bißchen an Eurer Vorstellung von formeller Kleidung arbeiten.«
    »Ich war so beschäftigt, seit ich mein Amt antrat, daß ich keine Zeit für einen Schneider hatte, Mylady. Ich werde mich sofort um formelle Kleidung kümmern.« Dann grinste er. »Ich bezweifle jedoch, daß die Zeremoniengewänder der alten Frau mir schon passen.«
    Was heißen sollte, daß er weder ihre gebeugten Schultern hatte noch genügend graue Haare. Mara spürte einen wehmütigen Stich, als sie an die alte Nacoya dachte. »Ihr habt ein ziemlich lockeres Mundwerk, so über Eure Verantwortung zu reden, vor allem wenn Euch bereits die Aufsicht über meinen Erben entglitten ist, wie ich sehen muß.«
    »Justin?« Saric fuhr herum. Der Junge war tatsächlich von seiner Seite gewichen, wo er noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte. Saric verbarg den Impuls, trotz der steinernen Miene zu fluchen. Er hätte die Rastlosigkeit des Jungen voraussehen müssen, nach dem Wutanfall, der zuvor erfolgt war, als Justin gezwungen worden war, in der Sänfte zu reisen statt auf seinem Lieblingsbeförderungsmittel: auf Lujans breiten Schultern an der Spitze der Prozession. Daß das jedoch einer öffentlichen Einladung an Attentäter gleichgekommen wäre, da die Straßen voller Menschen waren, die die Gute Dienerin bewundern wollten, leuchtete seiner kindlichen Vorliebe fürs Abenteuer nicht ein.
    Ein schneller Blick über den Hof mit den wunderschönen Bäumen voller blühender Reben offenbarte eine Reihe von Bogengängen, in denen der Junge sich hätte verstecken können.
    »Gut«, sagte Mara reumütig, »er wird sich im Palast kaum in Lebensgefahr bringen können, umgeben von zweitausend Kaiserlichen Weißen.« Sie fügte nicht hinzu, daß er ganz sicher irgendwelchen Unfug anstellen würde. Und da der Kaiser persönlich herkam, um sie zu begrüßen, war es eine Beleidigung, wenn sie die Soldaten auf die Suche nach ihm schickte, ehe sie die Begrüßungsformalitäten erledigt hatten.
    Sie rückte die Schärpe zurecht, reckte das Kinn und trat vor, bereit, sich vor dem Licht des

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