Die Schwarzen Roben
Midkemia, der als Tsurani geboren wurde, könnte einst zu den Minwanabi gehört haben.«
Mara war gereizt, weil sie keine Ruhepause gehabt hatte. Ihre Antwort klang scharf. »Ihr habt es alle gesehen. Er hat genausoviel getrunken wie ich.« Etwas weicher fügte sie hinzu: »Und diese exotischen Getränke haben mir ein wundervolles Gefühl beschert.«
Saric verbeugte sich stumm, ein Zeichen seines Mißfallens.
Mara bewegte sich in Richtung Kinderzimmer, aus dem Justins wütendes Geschrei zu hören war, obwohl es noch einen ganzen Flügel entfernt lag. Ihr Seufzen wurde zu einem Lachen. »Ich bin spät dran, und die Dienerinnen haben anscheinend alle Hände voll zu tun.« Sie legte eine Hand auf ihren unförmigen Bauch. »Ich warte sehnlichst darauf, daß dieses Kind endlich zur Welt kommt. Obwohl dann wahrscheinlich keiner von uns mehr Ruhe und Frieden haben wird.« Mit einem mädchenhaften Lächeln ging sie weiter in die Richtung, aus der Justins Krawall drang. »Möglicherweise werde ich es vermissen, verhätschelt zu werden, wenn ich erst wieder ohne die Hilfe zweier kräftiger junger Männer dasitzen muß.«
Lujan grinste verschmitzt, und Sancs Gesicht hatte genau den gleichen Ausdruck. »Hokanu wird sein Bestes tun, damit Ihr Euch bis ans Ende Eurer Tage um immer neue Kinder kümmern könnt.«
Mara lachte, doch ihren beiden Ratgebern entging der bittere Unterton nicht. »Das wird er, da bin ich mir sicher – wenn wir uns darauf einigen können, daß Justin der Erbe der Acoma werden wird.«
»Dickschädel«, hauchte Saric seinem Vetter über den Kopf seiner Lady hinweg zu.
Lange nach Einbruch der Dunkelheit kehrte der Händler, der Janaio von LaMut genannt wurde, mit seinem Gefolge aus angeheuerten midkemischen Wächtern zu einem verlassenen Lagerhaus in Kentosani zurück. Es war schon spät. In den reichen Vierteln waren die Dochte der Lampen bereits weit heruntergebrannt, während in den heruntergekommenen Mietshäusern nahe dem Fluß der untergehende Viertelmond die einzige Lichtquelle war. Die Straßen lagen in tintiger Schwärze, und vom Gagajin wallten Nebel herauf. Wo einst die übleren Bewohner der Stadt jeden ausgeraubt hatten, der sich ohne Wachen bis hierher vorgewagt hatte, trieben jetzt die Kaiserlichen Patrouillen Kentosanis Rebellen und Vagabunden in die tiefsten Hinterhöfe. Nur noch Straßenköter schlichen durch die Nacht und suchten in den Marktabfällen nach Nahrung.
Obwohl die Stadt für tsuranische Verhältnisse still war, war sie für midkemische Ohren alles andere als friedlich. Selbst im Innern des Lagerhauses konnte man das Geschrei einer Dame der Ried-Welt hören, die einen Kunden beleidigte, der grob zu einem ihrer Mädchen gewesen war. Hunde bellten, und ein wachsamer Jiga-Vogel krächzte. Irgendwo in der Nähe weinte ein Kind. Die Söldner, die als Eskorte für Janaio angeworben worden waren, traten unruhig von einem Bein aufs andere; der feuchte Schlamm der Untiefen des Flusses trug einen fremdartigen Geruch in ihre Nasen. Sie wußten nicht, warum sie zu diesem leeren, halbverfallenen Gebäude gebracht worden waren. Sie wußten auch nicht so recht, warum man sie eigentlich dafür bezahlt hatte, von der anderen Seite des Spalts herüberzukommen. Der Mann, der sie angeworben hatte, hatte lange Gespräche mit ihnen geführt und verlangt, daß sie kein Tsurani sprachen. Doch seit der Schlacht bei Sethanon gab es für ihresgleichen wenig Arbeit im Königreich, und für Männer, die wenig oder gar nichts mit ihrer Heimat verband, war die gebotene Summe mehr als genug gewesen.
Die Träger stellten ihre Lasten ab und warteten auf Befehle, während die Leibwächter ihre Formation hinter Janaio beibehielten. Plötzlich fielen Seidenschnüre mit beschwerten Enden von den Dachsparren herunter. Es geschah völlig lautlos. Die Seidenschnüre schlangen sich blitzartig um die Hälse der unachtsamen barbarischen Krieger.
Attentäter in Schwarz sprangen aus ihren Verstecken unter dem Dach hinterher; sie nutzten ihr Gewicht und ihren Schwung, um die Söldner von den Füßen zu reißen. Bei vier Männern brach das Genick sofort, während die anderen strampelten und nach Luft japsten, als sie hochgehoben und langsam erdrosselt wurden.
Die Träger sahen voller Entsetzen, wie die Söldner starben. Mit weit aufgerissenen Augen, vor Schreck erstarrt, wagten sie noch nicht einmal zu schreien. Doch ihre Angst war schnell vorbei. Zwei weitere schwarzgekleidete Mörder tauchten aus den Schatten auf
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