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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Schmerzen werden bald vorbei sein. Schon jetzt beginnt das Leben zu schwinden.«
    Flehentlich verdrehte der sterbende Mann die Augen und suchte das Gesicht des anderen in der Dunkelheit. Er erkämpfte sich einen halberstickten, keuchenden Atemzug. »Aber … Vater …«
    Der Obajan kniete nieder und legte eine rotgefärbte Hand auf die Stirn seines Sohnes. »Du machst deiner Familie Ehre, Kolos. Du machst mir Ehre.«
    Das schweißbedeckte Fleisch unter seiner Handfläche erschauerte noch zweimal und wurde dann schlaff. Anscheinend völlig ungerührt von dem Gestank, als die Schließmuskeln des Vergifteten im Tod erschlafften, erhob sich der Obajan und seufzte. »Und außerdem habe ich noch andere Söhne.«
    Der Meister der Hamoi Tong gab ein Zeichen, und seine schwarzgewandeten Männer gruppierten sich um ihn. Schnell und geräuschlos huschten sie auf seinen Befehl aus dem Lagerhaus und ließen die Toten liegen, wo sie waren. Allein inmitten des Gemetzels, ungesehen von lebenden Augen, nahm der Obajan ein kleines Stück Pergament aus seiner Robe und warf es zu Füßen seines toten Sohnes. Die goldene Kette an der Leiche würde die Aufmerksamkeit von Aasgeiern erregen; die Leichen würden gefunden und bestohlen werden, und das Papier würde in einer späteren Untersuchung auftauchen. Als der Anführer der Tong auf dem Absatz kehrtmachte, um den Raum zu verlassen, flatterte das rotgelbe Siegel des Hauses Anasati hinunter auf Holzdielen, die klebrig von frischem Blut waren.

    Der erste Schmerz erreichte Mara kurz vor der Morgendämmerung. Sie wachte zusammengerollt auf und unterdrückte einen Schrei. Neben ihr schoß Hokanu aus dem Schlaf hoch. Seine Hände streichelten sie sofort in besorgter Zuneigung. »Ist alles in Ordnung?«
    Das Unwohlsein ging vorüber. Mara stützte sich auf einen Arm und wartete. Nichts passierte. »Ein Krampf. Nichts weiter. Es tut mir leid, daß ich dich gestört habe.«
    Hokanu betrachtete seine Frau im grauen Zwielicht kurz vor der Dämmerung. Er strich ihr das in Unordnung geratene Haar zurück, und das Lächeln, das so viele Wochen nicht mehr dagewesen war, ließ seine Mundwinkel nach oben wandern. »Das Baby?«
    Mara lachte vor Freude und Erleichterung. »Ich nehme es an. Vielleicht hat er getreten, während ich geschlafen habe. Er ist sehr energisch.«
    Hokanu ließ seine Hand über ihre Stirn und die Wange gleiten und legte sie dann sanft auf ihre Schulter. Er runzelte die Stirn. »Dir ist kalt.«
    Mara zuckte mit den Schultern. »Ein wenig.«
    Seine Besorgnis wuchs. »Aber heute morgen ist es warm.« Er strich noch einmal über ihre Schläfe. »Dein Kopf ist schweißnaß.«
    »Es ist nichts«, sagte Mara schnell. »Mir geht es gut.« Sie schloß die Augen und fragte sich dabei unbehaglich, ob die fremden Getränke, die sie am Abend zuvor probiert hatte, sie vielleicht unpäßlich gemacht hatten.
    Hokanu spürte ihr Zögern. »Laß mich den Heiler rufen, damit er nach dir sieht.«
    Die Vorstellung, daß ein Diener in diesen Augenblick eindringen könnte, in dem zum ersten mal seit Wochen zwischen ihr und Hokanu wieder so etwas wie Nähe herrschte, war Mara unangenehm. »Ich habe schon früher Kinder bekommen, mein Gemahl.« Sie bemühte sich, ihre Stimme nicht zu scharf klingen zu lassen. »Es geht mir gut.«
    Doch beim Frühstück hatte sie keinen Appetit. Sie war sich Hokanus Blicken bewußt, machte leichte Konversation und ignorierte dabei das brennende Kribbeln, das für einen Augenblick wie Feuer ihr Bein hinuntergeströmt war. Sie hatte sich beim Sitzen einen Nerv eingeklemmt, redete sie sich ein. Der Sklave, der ihr als Vorkoster gedient hatte, wirkte vollkommen gesund, als er die Tabletts hinaustrug. Als Jican mit seinen Tafeln ankam, vergrub sie sich in Handelsberichten, innerlich dankbar dafür, daß das Mißgeschick mit dem Krampf vor dem Morgengrauen Hokanus Entfremdung verjagt zu haben schien. Er kam zweimal, um nach ihr zu sehen; einmal, als er seine Rüstung für seine morgendlichen Übungskämpfe mit Lujan anlegte, und ein zweites Mal, als er zurückkehrte, um sein Bad zu nehmen.
    Drei Stunden später begannen die Schmerzen richtig. Die Heiler eilten herbei, um sich um die Lady zu kümmern, als sie keuchend zu ihrem Bett getragen wurde. Hokanu ließ einen Brief an seinen Vater zur Hälfte geschrieben liegen, um an ihre Seite zu eilen. Er blieb, seine Hand um ihre Hände geschlungen, und bewahrte die Fassung, damit seine Furcht nicht noch zu ihrem Elend beitrug. Doch

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