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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ein Wort zu sagen.«

9
    Fiuzetta hatte Jana eine zusammengerollte Decke unter die Schultern gestopft, sodass sie halb aufrecht sitzen konnte. Als ich eintrat, rieb sie sich mit schmerzlich verzogenem Gesicht den Leib. Julia sortierte in ihrer Kleidertruhe herum und hielt gerade ein helles leinenes Untergewand in die Höhe, das bestürzend dem Arbeitskittel glich, den Rara den Mädchen in ihrem Haus aushändigte.
    Jana wandte sich um, als ich eintrat. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, und ihre Wangen waren immer noch eingefallen, aber der Sensenmann hatte das Siegel, das er ihr bereits ins Gesicht gedrückt hatte, wieder fortgenommen. Ich spürte einen schmerzhaften Stich, als ich sie so klein und zart in dem großen Bett liegen sah.
    »Hast du Schmerzen?«, fragte ich sie und wies auf die Hand, die über ihren Bauch strich. Sie nickte.
    »Als hätte ein Messer in meinen Eingeweiden herumgebohrt.« Ihre Stimme war rau und leise. Sie sprach langsam. »Aber noch mehr stört mich der Geruch. Ich stinke.«
    »Ich wollte dich gerade fragen, ob wir nicht die Ziege unter dem Bett verscheuchen können«, scherzte ich.
    Sie lächelte schwach. »Hab ich schon getan«, flüsterte sie. »Sie war nicht schuld an dem Gestank.«
    »Ich rieche nichts«, sagte ich und setzte mich zu ihr. Ich legte ebenfalls eine Hand auf ihren Bauch und begann ihn sanft zu reiben. Sie führte mich ein wenig weiter nach unten und seufzte dann, als ich meine Hand leicht kreisend bewegte.
    »Tut das gut?«
    »Jede Berührung von dir tut gut.«
    Julia brachte das Untergewand ans Bett. Es duftete nach Lavendel. Jana schloss die Augen und schnupperte. »Das nehme ich«, sagte sie zu Julia. »Ich kann es nicht mehr erwarten, aus diesen verschmutzten Fetzen herauszukommen.«
    »Wenn du dich waschen willst, warte ich so lange draußen.«
    »Nein«, lächelte sie, »das hat noch ein paar Minuten Zeit. Ich will die Zeit mit dir zusammen genießen. Ich spüre ohnehin, wie ich wieder müde werde.«
    Ich sah sie an und entdeckte die Tränen, die hinter ihren Augen standen, allzu bereit, wieder hervorzuquellen. Ich nahm die Hand von ihrem Leib und legte sie an ihre Wange. Sie schmiegte sich hinein.
    »Du warst niemals schöner als jetzt«, sagte ich.
    Sie schnaubte. »Dann warst du niemals blinder als jetzt.«
    »Jana, was geschehen ist, ist geschehen. Wir können es nicht mehr rückgängig machen. Und es hätte noch schlimmer kommen können.«
    »Das ist kein Trost.«
    »Findest du nicht?«
    Sie presste die Lippen zusammen. »Nein.«
    »Jana, ich …« Wie sollte ich ihr sagen, dass ich ihr Gespräch mit Fiuzetta belauscht hatte? Ich suchte nach Worten und stellte fest, dass ich das, was ich fühlte, nicht auszudrücken vermochte. Ich schüttelte den Kopf und sah zu Julia hinüber, die in einer Anzahl kleiner Fläschchen rumorte und eines gegen das Fenster hielt. Sie zog den Korken heraus und roch daran. Dann träufelte sie etwas daraus in eine große Schüssel mit dampfendem Wasser, die in einer Ecke des Raums stand. Nach ein paar Sekunden erfüllte frischer Geruch die Kammer: eines der Parfüms, die Jana aus Florenz mitgebracht hatte.
    Jana ließ den Kopf in ihre Rückenstütze sinken. »Wie kommst du mit deinen Ermittlungen voran?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    Sie nickte heftig und biss sich auf die Lippen. »Erzähl mir, dass es noch etwas anderes gibt als dieses Bett, diese Kammer und diesen Schmerz.«
    Meine Kehle schnürte sich zu. »Jana, wenn ich dir nur helfen könnte, ich würde sofort durch alle Kreise der Hölle wandern und den Teufel an seinem Schwanz herauszerren.«
    »Was hast du bis jetzt herausgefunden?«
    Ich nahm ihre freie Hand und knetete sie vorsichtig. Die Eiseskälte war daraus gewichen. Ihr Gegendruck war dennoch so schwach wie der eines kleinen Kindes.
    »Dass es ein paar Leute gibt, die von Pegnos Tod profitieren: Andrea, sein Bruder, weil er dadurch auf die Stelle rückt, die vorher Pegno ausgefüllt hat; so, wie ich ihn erlebt habe, ist die Führung eines Handelshauses seine wahre Berufung, und er weiß das auch. Fabio, weil er damit jemanden hat, in dessen Hände er beruhigt seine Nachfolge legen kann. Enrico, weil er mit Andreas Hilfe vielleicht dem Bankrott entrinnen kann.«
    »Du willst doch nicht sagen, Pegnos Familie habe sich verschworen, um ihn umzubringen? Sie hätten ihn doch einfach statt Andrea ins Kloster schicken können.«
    »Sicher, aber überleg dir den Skandal. Fabio ist ein Mann, den die Stadt mit

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