Die schwarzen Wasser von San Marco
Wünschen? Eine Nutte hat einen, und sie gibt den Namen gegen Geld preis. Der Sklavenhändler geht zu dem Mann und sagt: Du hast besondere Wünsche, ich habe besondere Ware. Kommen wir ins Geschäft?«
»O Gott«, stieß ich hervor.
»Aber das ist normal«, sagte Fiuzetta rau. »In Venezia muss es heimlich passieren wegen der strengen Gesetze der Serenissima. Geh bloß mal nach Roma , in der heiligen Stadt gibt es ganze Häuser für die kleinen angelini .«
»Was hat das mit Pegnos Tod zu tun?« Ich warf Jana einen Blick zu, aber sie ließ ihre Augen nicht von Fiuzetta.
»Erzähl ihm, was du mir erzählt hast.«
Fiuzetta schüttelte den Kopf. Sie hielt ihre Augen auf ihren Schoß gerichtet und eine Hand wie beschützend vor ihren Leib gelegt.
»Du hast es mir doch auch erzählt.«
»Das ist was anderes. Du bist keine tedesca .«
»Ich bin die Frau eines tedesco .«
»Es ist trotzdem was anderes.«
»Du brauchst nicht weiter in sie zu dringen«, sagte ich und fühlte, wie sich mein Magen umdrehte. »Die deutschen Kaufleute aus dem Fondaco sind die besten Kunden dieser Sklavenhändler.«
Jana schüttelte den Kopf. »Es ist schlimmer«, sagte sie tonlos.
» Tedeschi wollen auch junge Mädchen«, sagte Fiuzetta. »Aber sie sollen nicht ausgebildet sein. Innocenti , verstehst du? Ist spannender.«
»Chaldenbergen«, knurrte ich. »Er hat Caterina sicherlich nicht aus Nächstenliebe bei sich aufgenommen.« Ich räusperte mich. »Jedenfalls nicht, was wir darunter verstehen. Und heute Abend nach dem Fest wird er seine neu erworbene Unschuld aufsuchen und in seinem Rausch … Ich könnte kotzen!«
Fiuzetta schüttelte wieder den Kopf und vermied es weiterhin, uns in die Augen zu blicken.
»Habe ich etwas falsch verstanden?«, fragte ich und hoffte, alles falsch verstanden zu haben.
»No.«
»Weshalb schüttelst du dann den Kopf.«
»Wenn du wüsstest«, sagte sie, »wenn du wüsstest …«
»Dann lass es mich wissen!«, rief ich. Fiuzetta stand mit den Bewegungen einer alten Frau auf.
»Gianna ist erschöpft«, erklärte sie. »Sie möchte sich waschen und muss dann wieder schlafen. Du musst jetzt gehen.«
»Fiuzetta, du kannst mir vertrauen. Was habe ich falsch verstanden?«
»Vertrauen ist nicht das Problem. Ich vertraue dir und Gianna.«
»Weshalb erklärst du mir dann nicht …«
»Weil ich vermeiden will, dass du in Dinge verwickelt wirst, die du nicht begreifst. Weil die Gefahr besteht, dass du dabei umkommst.«
Jana machte ein entsetztes Geräusch. Ich biss die Zähne zusammen und knurrte: »So leicht kann mir keiner den Pelz abziehen.« Ich tat sicherer, als ich mich fühlte.
»Peter, bitte pass auf«, sagte Jana. »Du bist alles, was ich habe.«
Ich hätte beinahe gesagt, dass sie sich um mich keine Gedanken machen solle. Wenn etwas Schlimmes passierte, dann passierte es nicht mir. Es stieß immer nur denen zu, die ich liebte. Doch ich nickte nur und streichelte ihr Gesicht.
»Ich werde mit Calendar reden. Er ist ein Polizist. Fiuzetta, ich warte unten auf dich. Wenn du hier fertig bist, bringe ich dich zum Dogenpalast, und du kannst Calendar erzählen, was du Jana und mir …«
»Ich gehe nicht zur milizia! «
»Aber Fiuzetta, du hast es in der Hand, Caterina zu helfen.«
»Du verstehst viel zu wenig.«
»Vielleicht versteht die Polizei mehr.«
»Niemals. Keine milizia . Kein Paolo Calendar. Tu, was du willst. Du kannst mich hintragen, und ich werde nichts sagen. Und wenn du dort meinen Namen nennst, damit sie zu mir kommen, dann lüge ich. Was messère Dandolo kann, kann ich auch.«
»Wer wird mir denn glauben, wenn du die Aussage nicht bestätigst?«
»Ich muss es wissen, denn ich bin eine Nutte und kenne mich mit diesen Dingen aus, stimmt’s?«
»O Fiuzetta, so habe ich das doch nicht gemeint.«
Sie legte mir eine Hand auf den Arm und seufzte. »Geh nicht«, sagte sie. »Rede nicht mit Paolo Calendar.«
»Warum denn nicht, zum Teufel noch mal?«
»Wenn du für ein paar verlorene Kinder sterben willst, dann ist das ein schöner christlicher Gedanke«, erklärte sie, »aber noch christlicher ist es, für Gianna am Leben zu bleiben.«
»Peter, bitte«, flüsterte Jana.
Ich stand auf. »Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie dieser perverse, aufgeblasene Schweinehund ein junges Mädchen für seine ekelhaften Zwecke aus dem Waisenhaus holt. Wenn sich unter den deutschen Kaufleuten hier solche Schufte befinden, dann muss vielleicht auch ein deutscher Kaufmann versuchen, dem
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