Die schwarzen Wasser von San Marco
grob gezimmerten Tisch stand. Ich nahm mit der Bank gegenüber vorlieb. Wir schwiegen eine Weile.
»Die Milchfrau scheint mir nicht die Hellste zu sein«, erklärte er nach eine Weile leise.
Ich schüttelte den Kopf.
»Aber sie liebt das Kind?«
»Abgöttisch.«
Er brummte und schwieg wieder. Ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er etwas mitzuteilen wünschte und noch überlegte, ob und wie er es sagen sollte. Ich ließ den Wein auf der Zunge rollen und stellte fest, dass er mir beinahe zu schwer war. Der Bischof stürzte seinen Becher hinunter und schenkte sich sofort nach.
»Und – ist es nun das, was du dir vorgestellt hast: die Familie, das Kind?«
»Ich würde keines missen wollen.«
»Mhm.« Er legte eine Pause ein. »Ich wäre dafür nicht geboren.«
»Sie sind dafür geboren, sich um die Kinder Ihrer Diözese zu sorgen.«
»Glaubst du?«
»Wären Sie sonst, was Sie sind?«
Er hob die Augenbrauen und dachte über meine Bemerkung nach. »Ich habe auch eins«, sagte er schließlich.
Ich dachte, mich verhört zu haben. Es war so unwahrscheinlich, dass ich nicht einmal nachzufragen wagte, weil ich fürchtete, ihn damit zu beleidigen. Er sah mich an und wartete auf meine Reaktion. Er schien meine Gedanken zu erraten.
»Ich habe auch ein Kind«, wiederholte er deutlich und beugte sich über den Tisch zu mir, damit die Amme nichts von seinen Worten aufschnappte.
»Das wusste ich nicht …!«
»Natürlich nicht. Das wissen nur wenige«, knurrte er ungeduldig. »Glaubst du, ich nagle diese Botschaft an die Kirchentür wie eine neue theologische These?«
Ich schüttelte den Kopf. Bischof Peter goss seinen Becher zum dritten Mal voll. Er lehnte sich halb zurück und starrte an die Zimmerdecke. Er nickte und seufzte schwer.
»Aber so ist es. Ich war ein junger Priester, ebenso heiß im Kopf wie zwischen den Beinen. Ich war in Rom. Ich hatte meinen Bischof auf mich aufmerksam gemacht, und er hatte mich gefördert, bis sich der Kardinal meiner annahm und mich als seine rechte Hand in den Vatikan holte. Sie war die Tochter des Wirts, bei dem ich und einige andere, die nicht dazu verdonnert waren, in den Dormitorien der Klöster zu schlafen, nächtigten. Ich fand sie schön. Tatsächlich weiß ich gar nicht mehr, ob sie es wirklich war – oder wie sie hieß.«
Er verzog verächtlich den Mund. Ich glaubte ihm die Überheblichkeit nicht. Wenn man in seine Augen sah, wusste man, dass er sie immer noch schön fand, und dass ihr Name ihm ebenso präsent war wie sein eigener. Ich schwieg.
»Du kannst dir ja vorstellen, dass man als Priester nicht so oft die Gelegenheit erhält … und dass man es dann auch nicht so richtig beherrscht … und dass wegen der Seltenheit der Same eine besondere Kraft hat …«, er räusperte sich, »also jedenfalls besaß ich nicht einmal die Schlauheit eines Bauern, der am Sonntag die sieben coiti interrupti der vergangenen Woche beichtet, und abgesehen davon war es nach ein paar Momenten ohnehin vorbei. Sie wurde natürlich schwanger – von diesem einen Mal. Wenn Gott sich einen Scherz erlaubt, ist er meistens gut.«
Er schien einen Kommentar zu erwarten, aber den Gefallen tat ich ihm nicht. Er drehte den Becher in seiner Hand und blickte hinein. »Sie beichtete es mir, ich beichtete dem Kardinal. Davor hatte ich meine Sachen gepackt und mich auf meine schimpfliche Demission vorbereitet. Der Kardinal allerdings nahm es gelassen. Er hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, dass es schlimmere Orte gab, wohin man das Organ stecken konnte, das Gott dem Mann gegeben hat, und dass er froh war, dass sein Assistent sich nicht als Sodomit entpuppt hatte. Er war nicht unvermögend und machte einen jungen Kerl ausfindig, der sein Auge seit langem auf die Tochter des Wirts geworfen hatte, und stattete ihn mit dem Nötigsten aus, damit er vor den Augen seines zukünftigen Schwiegervaters Gnade fand. Er verheiratete die beiden sogar eigenhändig, was auch den Wirt wieder versöhnte; dieser hatte schon geahnt, dass die Schwangerschaft seiner Tochter nicht vom Heiligen Geist verursacht worden war, aber der Kindsvater in derselben Fakultät zu suchen war, und hatte blutige Rache geschworen. Da er nicht wusste, an wem sich zu rächen war, hatte er seiner Tochter erst einmal eine Anzahlung darauf gegeben. Der Kardinal bemühte sich, ihr blaues Auge zu ignorieren, als er die Trauung vornahm. Auf diese Weise kam ich mit Leben, Ruf und Freiheit davon. Eine gute
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