Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
gemacht. Die Behörden wollen verhindern, dass sie sich in der Stadt verstecken und die Seuche ausbricht.«
    Ich trat ein paar Schritte zur Seite, und er folgte mir.
    »Woher wussten Sie, dass Fiuzetta eine Prostituierte ist? Ich habe es Ihnen nicht gesagt. Kennen Sie jeden Menschen hier in der Stadt?«, fragte ich ihn.
    Calendar schüttelte den Kopf. »Ich kenne sie von früher.«
    »Deshalb wusste sie auch Ihren Vornamen.«
    Calendar zuckte mit den Schultern und sah zu Moro hinüber, der sich Barberro gegenüber gesetzt hatte und diesen musterte wie ein Mann, der einen ekelhaften Wurm in seinem Essen entdeckt hat und nun darauf wartet, dass ihn jemand anders fortschafft. Barberro hielt dem Blick eine Weile stand, dann senkte er mit mahlenden Kiefern die Augen. Er zerrte vergeblich an seinen Handfesseln.
    »Sie haben diesmal gar nicht widersprochen, als Barberro Sie meinen Freund nannte«, sagte ich zu Calendar.
    »Es gab Wichtigeres zu sagen.«
    »Es gibt etwas Wichtiges, das ich Ihnen über Leonardo Falier zu sagen habe.«
    Calendar schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Glauben Sie mir, Sie können mir kaum etwas über diesen Mann sagen, das ich nicht schon weiß.«
    Ich zögerte einen Moment. »Jetzt verstehe ich, Sie hatten Fiuzetta auf ihn angesetzt, als sie noch seine Kurtisane war. Sie sollte ihn aushorchen. Daher kennen Sie beide sich also.«
    Er nickte. »Ich überredete sie dazu. Sie hatte schon früh gemerkt, dass auch in ihrem neuen Heim nicht alles so war, wie es sein sollte. Die Jahre bei Rara hatten wahrscheinlich ihren Blick geschärft. Falier war allerdings schlauer als ich. Er merkte sofort, dass Fiuzetta Fragen stellte, die ihr nicht von selbst eingefallen sein konnten. Er setzte sie umgehend auf die Straße.«
    »Also hat sie ihr Elend Ihnen zu verdanken.«
    Calendar hob den Kopf und sah mich erstaunt an. In seiner Stimme war keine Schärfe, als er sagte: »Aus diesem Haus gewiesen zu werden war das größte Glück, das ihr widerfahren konnte.«
    »Dass Falier eine Geschäftsverbindung zu Barberro aufrechterhielt, dürfte Ihnen aber neu sein.«
    »Tatsächlich? Das muss aber über einen Mittelsmann gelaufen sein.«
    »So ist es. Und der Name des Mittelsmannes ist eine der beiden Informationen, die uns Barberro noch geben muss.«
    »Was ist die andere?«
    »Weshalb sein Leutnant Fulvio die Gassenjungen bestochen hat, den toten jungen Prinzen als Pegno Dandolo auszugeben.«
    Plötzlich weiteten sich Calendars Augen. Ich holte Atem, um ihm meine These zu erläutern, doch er stieß mich beiseite und machte einen Satz auf den Tisch zu, an dem Barberro saß. Ich wirbelte herum.
    Im ersten Moment glaubte ich, der Sklavenhändler habe sich von seinen Fesseln befreit und Jana in seine Gewalt gebracht. Ich spürte das Blut wie Eis durch meine Adern schießen und hechtete los, noch bevor ich einen klaren Gedanken gefasst hatte. Doch Barberros Hände waren immer noch gefesselt, und Jana war es, die die Fäuste ausgestreckt und um seinen Hals gekrallt hatte. Sie begann auf Polnisch auf ihn einzuschreien, dass die Menschen im Raum entsetzt herumfuhren und mit geweiteten Augen die Furie anstarrten, die meine Gefährtin war.
    Calendar versuchte, ihre Hände von Barberros Kehle zu lösen, aber sie war wie rasend. Ich umklammerte sie von hinten und riss an ihren Armen, und ihre immer noch verkrampften Finger gruben mit den Nägeln tiefe Rillen in den Hals des Sklavenhändlers, der entsetzt aufschrie. Janas Stimme gellte, als ich sie wegzerrte.
    »Dreckiges Miststück!«, kreischte Barberro und versuchte, mit dem Kopf nach ihr zu stoßen, sank gleich danach hustend zusammen und legte stöhnend die Stirn auf den Tisch. Ich konnte nicht erkennen, ob es Calendar oder Moro gewesen war, der zugetreten hatte. Ich hielt Jana fest, bis ihr die Flüche ausgingen und ihr Zorn sich in heiseres Weinen verwandelte.
    Ich spürte die Blicke aller Menschen im Raum auf uns; selbst Clara Manfridus war aus der Küche geeilt und starrte uns entsetzt an. Jana begann zu zittern wie jemand, der jetzt erst bemerkt, dass er nur noch einen Schritt von einem gähnenden Abgrund entfernt steht. Ich drückte sie an mich. Abgesehen von Barberros schmerzvollem Keuchen und Janas Schluchzen war es so still in der Schankstube, dass man eine Feder zu Boden hätte fallen hören. Von draußen klang das feine Piepen der Küken herein. Mit Jana in meinen Armen stolperte ich in den Hinterhof hinaus.
    Die Küken wimmelten um unsere Beine herum,

Weitere Kostenlose Bücher