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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ich plötzlich, warum sie auf Barberro losgegangen war mit einer so besinnungslosen Wut, dass sie ihm mit bloßen Händen die Kehle zugedrückt hätte.
    »Fiuzettas Kind«, sagte ich.
    »Sie will nicht zusammen mit ihrem Kind in der Gosse sterben«, stieß Jana hervor. »Sie will ihm die Zukunft geben, die sie verloren zu haben glaubt. Und für sich will sie eine letzte Chance, sich die Zukunft doch noch zu erkämpfen. Mit dem unehelichen Kind eines selbstsüchtigen Bastards, der sie vor Gericht zerren wird, wenn sie über seine Vaterschaft redet, kann sie das nicht.«
    Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen. »Du bist nicht bloß wegen Fiuzetta über Barberro hergefallen. Wäre ihr etwas zugestoßen, wäre auch … du willst ihr Kind annehmen.«
    » Wir wollen es«, sagte sie bestimmt. »Nur so oder gar nicht.«
    »Aber Jana …«
    Jana schwieg für einen Moment, dann sprach sie, ohne mich anzusehen. »Du weißt doch, dass es nichts Außergewöhnliches ist. Wie viele Bastarde, die ein reicher Patrizier mit seinen Sklavinnen und Dienstmägden zeugt, werden in die Familie aufgenommen und erzogen wie ein eigenes Kind? Tausende! Die meisten erfahren nicht einmal, welcher Herkunft sie sind. Sie leben ihr Leben als fünfter Sohn oder als sechste Tochter, und allerhöchstens kommt es ihnen irgendwann einmal komisch vor, dass der Abstand zu ihrem nächstjüngeren oder nächstälteren Geschwister zu kurz ist.«
    »Und das ist es, was du dir wünschst?«
    »Ja«, erklärte sie einfach. »Das wünsche ich mir. Nicht genau so, denn ich werde das Kind niemals darüber im Zweifel lassen, wer seine leibliche Mutter ist und dass es allen Grund hat, auf sie stolz zu sein. Aber ansonsten ist es das, was ich will.«
    »Was sagt Fiuzetta dazu?«
    »Sie hat mich auf die Idee gebracht.«
    Ich schüttelte abermals den Kopf. Mir war, als könnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen.
    »Es kommt nur noch auf dich an«, sagte Jana.
    »Wie soll denn das gehen? Willst du hier bleiben, bis Fiuzetta entbunden hat?«
    »Nein, so eine weite Reise wäre für ein Neugeborenes zu beschwerlich. Fiuzetta wird mit uns nach Krakau kommen. Ich werde die besten Hebammen und Ärzte bezahlen, die das Königreich Polen aufzuweisen hat.«
    »Wenn, dann kommt das Kind in Landshut zur Welt«, hörte ich mich sagen.
    Jana zog die Augenbrauen hoch. »Auf die Welt kommt es auf jeden Fall«, erklärte sie dann mit einem halben Lächeln.
    Ich breitete die Arme aus. »Ich muss mir das erst durch den Kopf gehen lassen.«
    »Sicher. Es tut mir Leid. Ich hatte mehr Zeit als du, darüber nachzudenken.«
    »Mir tut es Leid. Ich hätte die letzten Tage bei dir verbringen sollen, anstatt auf die Jagd nach Verbrechern zu gehen.«
    »Du hast das getan, was du für richtig gehalten hast. Ich möchte dich nicht anders, als du bist.«
    »Ich schäme mich. Ich habe dich im Stich gelassen.«
    »Du hättest mich im Stich gelassen, wenn du geglaubt hättest, den Tod dreier Kinder aufklären zu können, und dann nichts unternommen hättest.«
    Sie konnte mich immer noch in Erstaunen versetzen. »Ich habe dich nicht verdient.«
    »Unsinn. Ich bin nicht wie die Frauen der venezianischen Patrizier, die den ganzen Tag zu Hause verbringen und darauf warten, dass ein Feiertag kommt und ihr Gatte sie aus der Truhe nimmt, abstaubt und auf dem campo zur Schau stellt. Ich fühle mich eher Clara Manfridus verbunden. Ich tue, was ich für richtig halte, und du tust das Deine. Dass wir oft darin übereinstimmen, beweist, dass wir zueinander gehören.«
    »Und dass dies oft genug nicht der Fall ist und wir trotzdem noch miteinander auskommen, beweist es auch«, erklärte ich lächelnd.
    Jana lehnte sich an mich und seufzte.
    »Ich bin zu Tode erschöpft«, sagte sie leise. »Bring mich bitte nach oben. Ich muss von diesem Ungeheuer dort drin wegkommen, sonst greife ich mir doch noch ein Messer und stoße es diesem Mistkerl in den Rücken. Und außerdem hast du noch Arbeit vor dir.«
    »Vor allem Denkarbeit.«
    Sie hob den Kopf, und ich küsste sie. Sie erwiderte den Kuss. »Wir werden Mariana fragen, ob sie etwas hat, das Ehepaare einnehmen können, die keine Kinder bekommen wollen«, flüsterte sie.
    »Wenn sie etwas hat, das funktioniert«, flüsterte ich zurück, »werde ich alle schlechten Gedanken, die ich jemals gegenüber Hexen hegte, zurücknehmen und für jeden einzelnen davon eine Kerze anzünden. Doch jetzt musst du erst einmal eine Suppe von Clara Manfridus zu dir nehmen und

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