Die schwarzen Wasser von San Marco
dann schlafen.«
»Ich werde mir das schlimmste Rezept von Clara aufschreiben lassen und es dir dann jeden Tag vorsetzen.«
Ich lächelte zurück. Unnötig zu sagen, dass ich mit Freude die übelste Suppe schlürfen würde, die sie mir vorsetzen konnte, wenn unsere Liebe nur bestehen blieb. Ich hoffte, sie wusste es auch so.
9
In der Schankstube hatten sich Michael Manfridus und Paolo Calendar inzwischen zu Moro gesetzt. Calendar sprach mit leiser Stimme; an Manfridus’ und Moros Gesichtern erkannte ich, dass der Polizist ihnen gerade schilderte, welche Ereignisse dazu geführt hatten, dass Barberro in die Herberge gekommen war. Erstaunt stellte ich fest, dass Calendar es geschafft hatte, über seinen Schatten zu springen und mehr zu sagen als unbedingt nötig.
Ich brauchte Fiuzetta nicht aufzufordern, Jana und mich zu begleiten; sie rappelte sich auf und stapfte hinter uns her die Treppe hinauf. Ich fühlte die Blicke, die die Herbergsgäste uns verstohlen zuwarfen, bis wir um die erste Kehre im Treppenhaus gebogen waren. Erst dann konnte ich etwas aufatmen. Jana, die so müde war, dass ihre Zunge schwer wurde, forderte Fiuzetta auf, sich zu ihr auf das Bett zu legen, dann rollte sie sich neben ihr zusammen und schloss die Augen. Fiuzetta sah mich mit hoffnungsloser Miene an. Sie schien wie innerlich erstarrt, was sich durch Janas Ausbruch wohl noch verstärkt hatte. Ich hob die Decken vom Boden auf und breitete sie über die beiden Frauen. Jana öffnete kurz die Augen und lächelte. Fiuzetta sah mich unverwandt an.
»Alles wird gut«, flüsterte ich. Sie schüttelte den Kopf, aber wenigstens schloss sie die Augen. Als ich hinausging, kamen Clara Manfridus und Julia die Treppe hoch; Letztere trug eine Schüssel mit dampfender Suppe. Clara Manfridus warf mir einen undeutbaren Blick zu und betrat dann die Kammer. Ich stieg zur Schankstube hinunter und setzte mich zu den Männern. Die Tischplatte war dort, wo Manfridus saß, von Nussschalen förmlich übersät. Die anderen Gäste hatten zaghaft wieder begonnen, sich zu unterhalten; zu den verstohlenen Blicken gesellten sich jetzt Finger und Daumen, die zu uns und besonders zu mir herüberdeuteten, als die Augenzeugen einander die Geschehnisse beschrieben.
Der Wirt schüttelte betroffen den Kopf. »Das ist die übelste Geschichte, die ich je gehört habe.« Selbst Moro nickte lediglich, ohne einen Kommentar abzugeben.
Calendar lehnte sich zurück und nahm die Hände von der Tischplatte, als sei er im Begriff, sich zu erheben. Er warf mir einen Blick zu. »Ich bringe den Gefangenen jetzt in den Dogenpalast. Ich brauche Sie als Zeugen.«
Ich nickte. »Jederzeit.«
»Ich möchte was trinken«, krächzte Barberro plötzlich und sah Manfridus herausfordernd an. Der Wirt zögerte. Moro sagte: »Halt’s Maul!«, und Barberros Züge verzerrten sich vor Wut. Manfridus stand seufzend auf.
»Er ist ein Vieh«, rief Moro ärgerlich.
»Er ist ein Mensch, der andere Menschen wie Vieh behandelt hat«, korrigierte ihn Manfridus. »Das muss ja nicht heißen, dass wir uns auf seine Stufe stellen.«
Moro senkte den Kopf, keinesfalls überzeugt von Manfridus’ Worten, doch er hatte keine Lust, seinem Herrn in diesem Moment zu widersprechen. Kurz sah ich etwas in seinen Zügen, das mich an den Jungen erinnerte, der seine verlauste Pferdedecke mit dem Messer verteidigte und für sie ohne zu zögern getötet hätte. Vermutlich war er der Einzige, der Janas Empfindungen wirklich nachvollziehen konnte.
Der Wirt kam mit einem Becher Wein wieder und hielt ihn Barberro an den Mund. Der Sklavenhändler trank und sah dann mit vollem Mund zu Manfridus hoch. Einen Augenblick lang erwartete ich, er würde ihm den Wein ins Gesicht spucken, dann schluckte er ihn hinunter und bedankte sich mit einem Kopfnicken und einem falschen Grinsen. Manfridus stellte den Becher ab, ohne darauf einzugehen.
»Jemand muss die Familie von Pegno benachrichtigen, dass der Tote aus dem Arsenal ein anderer Junge war«, sagte er dann in meine und Calendars Richtung. »Monna Laudomia und Andrea.«
Calendar machte ein betroffenes Gesicht. »Daran habe ich gar nicht gedacht«, gestand er überrascht.
»Und Enrico Dandolo«, warf ich ein. »Er muss es auch wissen.«
Wir wandten uns alle erstaunt zu Barberro um, als der Sklavenhändler zu lachen begann.
»Was ist so lustig?«, knurrte Calendar.
»Enrico Dandolo!«, keuchte Barberro. »Das ist gut! Benachrichtigt ihn nur, den armen Mann. Der Verlust seines
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