Die schwarzen Wasser von San Marco
einen misstrauischen Blick zu. Ich drehte mich zu ihr um. Ihre Augen waren dunkle Höhlen in ihrem bleichen Gesicht. Manfridus hatte ihr ganz unstandesgemäß eine Hand auf den Mund gepresst.
»Halt bloß die alte Kuh zurück«, knurrte Barberro, »sonst nehm ich die auch noch mit. Sie hat sich ganz gut gehalten.«
»Wohin wollen Sie jetzt gehen?«
»Ich habe noch ein Konto zu saldieren.« Noch einmal ahmte seine Stimme spöttisch die Sprache eines gelangweilten Kaufmanns nach.
»Sie kommen nicht weit mit ihr.«
»Ich kenne jede Gasse hier, du Idiot«, stieß er hervor. »Selbst die, die es noch gar nicht gibt. Und ich habe noch genügend Freunde, wo ich eine Ware einlagern kann, bis ich mit einem Geschäft fertig bin.«
»Sie werden nicht aus diesem Gebäude gehen mit ihr als Gefangene«, sagte ich kalt. Ich hatte das Gefühl, dass ich nun jeden Augenblick die Beherrschung verlieren würde. Moro, der ausgestreckt auf dem Boden lag, keuchte laut, bewegte sich aber nicht.
»Und wer will mich daran hindern?«
Barberro schob sich zur Tür hinüber, drückte die Klinke mit dem Ellbogen hinunter und angelte mit dem Fuß nach dem Türblatt. Er schob sie auf. Ich folgte ihm.
»Setz dich endlich aufs Bett, zum Teufel noch mal!«
Ich bewegte mich nicht. »Sie machen einen Fehler.«
»Auf Wiedersehen beim Kürschner, sagte der Fuchs.« Barberro schlüpfte zur Tür hinaus. Ich hielt sie auf und trat nach ihm in das düstere Treppenhaus hinaus. Ich spürte Janas verzweifelte Blicke im Nacken.
Barberro zerrte Fiuzetta zur Treppe und begann, rückwärts hinunterzugehen. Er zischte mich an.
»Ich schneid ihr die Gurgel durch, wenn du nicht endlich verschwindest.«
»Sie werden Ihrer Ware nichts antun.«
Er machte ein hässliches Geräusch und schleifte Fiuzetta hinter sich her. Sie taumelte rücklings und bemühte sich verzweifelt, nicht zu fallen. Die Haut an ihrem Hals war bereits wund, wo die Klinge gegen sie gedrückt wurde.
»Die Schankstube ist voller Leute«, sagte ich.
»Na und?« Barberro und Fiuzetta kamen auf dem ersten Treppenabsatz an. »Sind entweder besoffen oder verfluchte Pfeffersäcke.«
Der Sklavenhändler sah sich um und steuerte auf die nächste Flucht von Stufen zu. Ich hielt genügend Abstand, dass er sich nicht bedroht fühlte und sich zu einer übereilten Handlung hinreißen ließ. Langsam gewannen die Gedanken, die mir durch den Kopf wirbelten, eine gewisse Ordnung zurück. Ich hatte auf Zeit gespielt und hoffte, genügend davon herausgeschunden zu haben. Ich hatte den Ansatz eines Plans, dessen Gelingen von Paolo Calendar und seinen Männern abhing.
»Man wird versuchen, Sie aufzuhalten.«
»Sie werden alle schön brav sitzen bleiben, wenn sie sehen, dass ich dem Täubchen sonst den Hals durchschneide.«
Barberro grinste und rutschte auf einer Treppenstufe aus. Er trat einen raschen Schritt zurück und fing sich wieder. Fiuzetta gurgelte entsetzt und geriet ins Stolpern, doch Barberro hielt sie fest gepackt; an Kraft schien er dem seligen Ursino nicht sonderlich unterlegen zu sein. Er bleckte die Zähne und knurrte mich an. »Versuchst du mich aus dem Konzept zu bringen? Wenn ich hier runterfalle, nehm ich den Kopf deiner Schlampe mit, darauf kannst du Gift nehmen.«
Etwas langsamer tastete er sich seinen Weg weiter durch das dunkle Treppenhaus, ohne die Augen von mir zu lassen. Er hatte nachgegeben, als er sah, dass ich mich nicht von ihm zurückschicken ließ; er wusste, dass er es sich leisten konnte. Er hatte immer noch alle Vorteile auf seiner Seite. Ich hörte schwere Schritte von oben und das Schlagen einer Tür: Jana, Moro und Manfridus hatten sich ein Herz gefasst und eilten aus der Kammer. Ich spürte, wie sie die Stufen hinter mir herunterkamen.
»Bleibt oben«, rief ich über die Schulter zurück. »Barberro und ich, wir werden uns auch allein einig.« Ich sah Janas Gesicht in der Finsternis des Treppenhauses, eine totenbleiche Maske kaum verhüllter Panik.
»Ja«, schrie Barberro hinterher, »wir handeln gerade einen Kompromiss aus: Es wird getan, was ich sage.«
Die letzte Treppenflucht führte hinunter in den Schankraum. Ich roch den Essensduft, der sich verstärkte, als wir um die Ecke bogen und die Stufen in Angriff nahmen. Es war seltsam still in der Stube. Ich hatte erwartet, das Raunen der Gäste zu vernehmen, die sich über die Anwesenheit von bewaffneten Wachen die Mäuler zerrissen. Stattdessen war nichts zu hören als das Knarren der Stufen, die unter
Weitere Kostenlose Bücher