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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Neffen hat ihm bestimmt die Sinne geraubt.« Er lachte erneut.
    Moro riss der Geduldsfaden. Er sprang auf und holte mit der Faust aus. Barberro verstummte und sah ihn voller Hass an. »Wag es nicht, mich zu schlagen, du schwarzes Schwein!«, stieß er hervor.
    Ich hob eine Hand, um Moro zurückzuhalten. Der Sklave sank schwer atmend auf seinen Platz zurück. Seine Hände zitterten.
    »Spielen Sie sich nicht auf, Barberro«, sagte ich kalt. »Jeder in dieser Stadt, der will, kann sie schlagen. Ich habe es selbst zweimal beobachtet.«
    Der Sklavenhändler gab einen erstickten Laut von sich. Seine Augen traten hervor. »Geht nur hin und sagt es allen!«, knirschte er. Von seinen Lippen flog der Speichel. »Sagt Enrico, er soll auch in meinem Namen eine Messe lesen lassen für seinen beschissenen Neffen.«
    Ich sah zu Calendar hinüber, der Barberro nachdenklich musterte. Er bemerkte meinen Blick, sagte jedoch nichts. Offenbar war es jetzt an mir, die Fragen zu stellen.
    »Wollen Sie uns damit zu verstehen geben«, fragte ich langsam, »dass … Enrico Dandolo  … Ihr Geschäftspartner ist?«
    »Na bravo«, höhnte Barberro.
    Manfridus saß da wie vom Donner gerührt. Ich wusste, wie er sich fühlte. Ich dachte an ein paar elegante, dunkle Männerhandschuhe auf einer Truhe in Raras Haus und das Gefühl, beobachtet zu werden, und wusste, dass ich die Geschichte schon vor zwei Tagen hätte auflösen können, wenn ich durch sämtliche Räume in Raras Schreckenshaus gestürmt wäre.
    »Erzähl.« Calendars Stimme klang eisig.
    »Warum sollte ich?«
    Calendar antwortete nicht. Er sah Barberro ruhig an, und es war nicht nötig, den Sklavenhändler mit der gleichen Drohung einzuschüchtern, die bei Rara de Jadra ihre Wirkung getan hatte. Barberro wusste, dass die peinliche Befragung auf ihn wartete und dass alles, was er jetzt sagte, den Grad der Unannehmlichkeit heruntersetzen konnte. »Ihr werdet ihn sicher auch befragen?«, krächzte er. Calendar zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, er weigert sich zu reden«, stöhnte Barberro heiser vor Wut. »Ich hoffe, ich kann dann zusehen, wie er mit einem Gewicht an den Füßen aufgezogen wird, bis ihm die Gelenke rausspringen.«
    »Du wirst den besten Platz haben, wenn du nicht sofort zu reden anfängst. Direkt neben ihm, mit deinem eigenen Gewicht.«
    Barberro spuckte aus.
    »Der Mann ist seit Jahren pleite«, sagte er dann grob. »Sein feiner Bruder hat ihm was geliehen, aber damit konnte er sich auch nicht aus der Affäre ziehen. Das Geld zerrann ihm zwischen den Fingern.«
    »Er hat viele Ausgaben«, erklärte ich leise und dachte an Dandolos makellose Kleidung.
    »Pah. Das ist das Einzige, das er kann: auftreten wie ein Kardinal und dabei mit den Augen rollen, dass ihm die abgebrühteste Klosterschwester noch vertrauen würde.«
    »Wann hat er entdeckt, dass er diese Fähigkeit gewinnbringend einsetzen könnte, wenn er für Sie den Strohmann spielt?«
    »Es hat mit Falier angefangen. Enrico wusste, dass er den verdammten genuesischen Botschafter beherbergt. Genua hat den Krieg verloren, aber es ist immer noch mächtig genug, dass demjenigen der Weg in die höchsten Ämter geebnet wird, der dafür verantwortlich ist, wenn wieder Freundschaft zwischen den beiden Städten herrscht. Enrico wusste auch, dass Falier den Botschafter nur deshalb bei sich aufgenommen hat, um ihm den ganzen Tag in den Arsch zu kriechen und so der Mann zu werden, auf dessen Konto eine freundschaftliche Verbindung beider Städte geht. Falier will ja auf Teufel komm raus der oberste Angeber im Zehnerrat werden.«
    »Dandolo erkannte, dass Falier nach einem unverbrauchten Jungen für den Botschafter suchte.«
    Barberro nickte verächtlich.
    »Aber der Junge, den Sie heranschafften, war zu krank …« Ich verstummte. Dunkel ahnte ich, was Barberro sagen würde. Ich sah in Calendars Augen und wusste, dass auch ihm die Wahrheit allmählich dämmerte. Wenn man es recht bedachte, hatte sie die ganze Zeit deutlich vor uns gelegen. Ich hatte es lediglich versäumt, genau hinzusehen.
    »Ich sagte: Scheiße, Enrico, wir sind am Arsch«, krächzte Barberro. »Der Junge wird abkratzen, und wenn Falier merkt, dass er ein Vermögen wegen eines todkranken Bengels ausgegeben hat, sind wir genauso erledigt wie der Kleine. Lass dir was einfallen, sagte ich, es war doch von Anfang an deine Idee.«
    Er schwieg. Keiner von uns hatte Lust nachzufragen. Nach einer kleinen Pause, in der Barberro auf den Weinbecher schielte,

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