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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Enrico in seinem perversen Plan unterstützt und Pegno dem Verderben direkt in die Arme geliefert. Wenn nicht, war für Enrico zumindest nichts verloren. Und wenn er irgendwann den Toten aus dem Arsenal als seinen Neffen identifizierte, hatte er zugleich noch einen glaubwürdigen Zeugen, der bestätigen würde, er habe alles versucht, den vermissten Pegno wiederzufinden. Die Leiche des jungen Prinzen ist nur zu früh aufgetaucht, das ist alles.«
    »Ich habe das auch noch eingefädelt«, erkannte Manfridus entsetzt.
    »Wenn Enrico sogar bereit war, seinen Neffen zu opfern, warum hat er Sie dann bei Falier verleumdet?«, fragte ich den Sklavenhändler.
    Barberro hob missmutig die Schultern. »Bring mich zu ihm, dann frag ich ihn selber.«
    »Als Pegno verschwunden war«, fuhr Calendar fort, »war zugleich die letzte Chance vertan, die Geschichte mit Falier zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Es ist ganz einfach: Enrico Dandolo lieferte seinen Geschäftspartner ans Messer, damit ihn nicht selbst Faliers Zorn treffen würde. Wahrscheinlich hält er schon nach einem neuen Partner Ausschau, um Faliers Wünsche zu befriedigen.«
    »Das Schwein!«, rief Barberro empört, als hätte Enrico einem Unschuldigen gegenüber den übelsten Verrat begangen.
    »Was jetzt?«, erkundigte ich mich.
    Calendar nestelte das Siegel, das ihm an einer Kette um den Hals hing und ihn als Angehörigen der Polizei auswies, aus seinem Hemd. Er zögerte einen winzigen Augenblick, dann streifte er dem überraschten Moro die Kette über den Kopf.
    »Kannst du ihn im Dogenpalast abliefern? Zeig mein Siegel her, dann hast du keine Schwierigkeiten mit den Wachen. Vergewissere dich, dass er in einer Zelle landet und dort angekettet wird.«
    Moro strich mit einem Finger über das Siegel und ließ es dann vor seiner muskulösen Brust herunterbaumeln. Er stand auf, als habe er dergleichen schon hundertmal getan. »Schon erledigt«, sagte er und zerrte den protestierenden Barberro auf die Füße. Barberro begann mit einer Reihe von Beleidigungen, sah dann Moro ins Gesicht und wurde schlagartig still. Scheinbar ging ihm auf, dass er mit ihm in den nächsten Minuten allein durch viele dunkle und manchmal menschenleere Gassen marschieren würde. »Was haben Sie vor?«
    Calendar sah von Moro zu mir herüber. »Wir besuchen Enrico Dandolo«, erklärte er.
    »Und was ist mit Pegno?«
    »Eins nach dem anderen«, sagte Calendar ruhig.

10
    Das Haus Enrico Dandolos an der kleinen Brücke wirkte von außen nicht anders als bei meinem ersten Besuch, trotzdem schien es mir jetzt noch verkommener als zuvor. Als wir das Erdgeschoss betraten, hätte ich es beinahe nicht wiedererkannt. Der Boden war aufgerissen. An der Seite, wo hinter der Außenwand der Rio della Pergola floss, befand sich ein schräg nach unten führendes Loch wie die eine Hälfte eines Trichters, und der Aushub war dazu verwendet worden, dessen Rand zu erhöhen; prall gefüllte Säcke waren in zwei Reihen darauf gestapelt. Es handelte sich wohl um die Vorbereitungen zum Durchbruch der Mauer nach außen, wie Andrea Dandolo geplant hatte. Der Wall und die Sandsäcke dienten dazu, das restliche Erdgeschoss vor einer Überschwemmung zu bewahren, sollte das Wasser des rio bis hier hereingelangen. Dandolos Arbeiter füllten eine weitere Anzahl von Säcken mit Lehm und Sand und stapelten sie neben einer geschlossenen Lagertür. Offenbar hatte Andrea hier die wenigen noch verwertbaren Güter seines Onkels einräumen lassen und angeordnet, das Lager doppelt gegen das Wasser abzusichern. Wir stiegen in den ersten Stock hinauf, wo uns ein Dienstbote empfing.
    Calendar übernahm das Reden. Soweit ich verstand, gab er uns als Abgesandte des Zehnerrats aus, woraufhin der Bedienstete uns bat, im Saal zu warten, derweil er nach seinem Herrn Ausschau halten würde.
    »Wenn ich unsere richtigen Namen genannt hätte, würden wir auf Dandolo bis in alle Ewigkeit warten«, raunte Calendar. »Hoffentlich glaubt er, wir sind in Wirklichkeit Abgesandte von Leonardo Falier, die sich nur nicht so offen zu erkennen geben wollen. Dann wird er uns kaum abblitzen lassen.«
    »Das ist das erste Mal, dass ich höre, wie einer beim Lügen noch lügt«, erklärte ich trocken. Calendar verzog das Gesicht zu einem Lächeln.
    Es dauerte nicht lange, bis der Dienstbote zurückkam. Er zog ein bedauerndes Gesicht – sein Herr habe das Haus heute am späten Vormittag verlassen und sei noch nicht zurückgekehrt.
    Ich zog Calendar

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