Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
in Ordnung; im Mehl sind Würmer, und die Stoffe sind zum Teil verschimmelt. Ich habe Anordnung gegeben, beides auf die Waisenhäuser und die Hospitäler der Stadt aufzuteilen und dafür Messen im Namen meines Oheims lesen zu lassen.«
    »Das wird dem Haus Enrico Dandolo einen Anstrich der Großzügigkeit verleihen.«
    »Die Lager müssen leer werden; man hätte mit den Waren ohnehin kein Geschäft mehr gemacht.«
    »Ich hatte den Eindruck, die Lager sind leer.«
    »Ich schaffe Platz für neue Güter.« Über Andreas Gesicht huschte ein Lächeln. »Die Serenissima wird nach dem Erfolg der Aquila und der Venator weitere Expeditionen gegen die Piraten schicken. Das macht den Gewürzhandel für ein paar Monate sicherer, und die Preise werden sinken. Die anderen Kaufleute werden sich reichlich damit eindecken, um den Preisverfall auszunutzen, und sie dann einlagern, bis neue Piraten auftauchen und die Preise wieder anziehen.«
    »Was hat das mit der Räumung der Lager deines Onkels zu tun? Wenn du ebenfalls damit anfängst, in großem Stil Gewürze einzukaufen, erreichst du damit keinen Vorteil über die anderen.«
    Er sah mich abschätzig an. »Man sieht, dass du kein Kaufmann bist«, erklärte er mit der größten Herablassung, die er bisher hatte aufbringen können. »Glaubst du denn, die anderen haben leere Lager? Nur mein Oheim in seiner … in seiner Pechsträhne hat das geschafft. Wo sollen sie die Lieferungen unterbringen?«
    »Du willst die Speicher dieses Hauses vermieten?«
    Jetzt grinste er. »Und zwar teuer. Die Lage ist ideal. Wir können eine Wand des Gebäudes zum Rio della Pergola durchbrechen, damit dort Be- und Entladeverkehr möglich ist. Von hier sind es nur ein paar Ruderschläge hinaus auf den Canàl Grande und zur Riva von San Stae, wo auch große Schiffe anlegen können.«
    »Weiß dein Oheim, was du vorhast?«
    »Er ist gar nicht im Haus; er ist zurzeit sehr beschäftigt.«
    »Mit anderen Worten: nein.« Ich nahm das Säckchen mit der Entlohnung für einen Dienst, den ich nicht vollbracht hatte, vom Pult und steckte es in meine Börse. Es zog mir den Gürtel gehörig nach unten. Dann wies ich auf den überladenen Tisch.
    »Du musstest die Kutte überziehen, die eigentlich Pegno hätte tragen sollen. Er war der älteste Sohn und für das Geschäft bestimmt, aber du fühlst dich als der wahre Erbe des Hauses Dandolo. Was für ein Glück im Unglück, dass nun der richtige Sohn am richtigen Platz ist …«
    »Gott hat alles so gerichtet, wie es sein sollte.«
    »Gott hat nichts damit zu tun, wenn ein Junge in dem am besten bewachten Areal Venedigs ertrinkt.«
    »Gott lenkt alle unsere Wege.«
    »Wenn du lange genug wieder aus dem Kloster bist«, erwiderte ich bissig, »wirst du in deinen Sprüchen Gott bald durch das Wort ›Geld‹ ersetzt haben.«
    Diesmal gab er meinen Blick ungerührt zurück. Er rollte das von mir gesiegelte Dokument zusammen und warf es achtlos auf den Tisch.
    »Wurde dein Vater schon vom Tod deines Bruders unterrichtet?«
    »Wir haben Nachricht an die Häfen gesandt, die er vermutlich anlaufen wird.«
    »Ich vermute, er wird erleichtert sein, wie alles gekommen ist.«
    »Sein Sohn ist umgekommen. Wie kannst du da von Erleichterung sprechen?«
    Ich überlegte einen Moment, ob ich ihm mitteilen sollte, dass für den toten Pegno schon ein Halbgeschwisterchen auf dem Weg war, das im Leib der ehemaligen Kurtisane seines Vaters heranwuchs. Vielleicht war das der wahre Sinn des Bibelworts: Auge um Auge. Doch Jana hatte es treffender formuliert: Das Leben setzt sich durch.
    Schließlich ließ ich den Gedanken fallen. Es war einzig und allein Fiuzettas Angelegenheit.
    Ich raffte meine Ausfertigung des gesiegelten Dokuments an mich und verließ das Arbeitszimmer. Andrea machte keine Anstalten, mich aufzuhalten; er beugte sich demonstrativ über den Tisch, um weiterzuarbeiten. Noch bevor ich den Raum verlassen hatte, hörte ich wieder das Pochen der Messerspitze auf der Tischplatte. Ich fand den Boten wieder, der mich hergebracht hatte. Er nickte mir zu und stieg vor mir die Treppe hinab, um mich zurückzubegleiten. Ich achtete kaum auf ihn.
    Es gab noch einen zweiten Grund, warum ich Andrea Dandolo nichts von Fiuzettas Kind erzählt hatte: der unmissverständliche Hass, den ich in Andreas Augen hatte aufflackern sehen, als ich ihn auf seinen Vater angesprochen hatte.
    In der kurzen Zeit, die ich in der Gegenwart von Pegnos Bruder verbracht hatte, war das Erdgeschoss des Hauses

Weitere Kostenlose Bücher