Die schwarzen Wasser von San Marco
nächsten Jahr kam der Kaufmann wieder und hatte einen Kater dabei, und der wurde ihm diesmal mit Gold aufgewogen. Ich habe von einem Bauern ein paar durchtriebene Mäusefresser gekauft, aber sie sind mir zwischen gestern und heute alle weggelaufen. Und jetzt tanzen die Mäuse wieder.«
»Kaufen Sie sich ein Frettchen, das wird Ihnen nicht untreu.«
»Wissen Sie, wo Enrico Dandolo ist?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Er verzog unzufrieden den Mund. »Dann hinterlasse ich ihm eine Botschaft. Wenn er sich nicht bis Mittag meldet, muss ich meinen Bedarf im Hafen decken. Das wird ihm sicher nicht gefallen.«
Er winkte mir zum Abschied zu und stolzierte davon, auf den gestikulierenden Schreiber zu, der die Räumung von Dandolos Lager kommandierte. Der Bote, der abseits gewartet hatte, brachte mich endgültig hinaus.
Draußen bat ich den Mann mit Händen und Füßen, mich statt zurück zur Herberge von Michael Manfridus zum Arsenal zu bringen. Er führte meinen Wunsch ohne Widerrede aus; wahrscheinlich ahnte er, dass er bei seiner Rückkehr sofort dem Lagerräumungstrupp zugeteilt würde, und fand es bedeutend angenehmer, stattdessen auf dem Canàl Grande durch die Morgensonne zu rudern. Der Verkehr auf dem Kanal hatte noch weiter zugenommen, und zwischen den einfachen Transportbooten waren mittlerweile die bunten Gondeln zu sehen, die durch die langen Ruder ihrer barcaiuli ebenso angetrieben zu werden schienen wie durch deren Gesang. Man hatte das Mittelteil der Rialto-Brücke wieder hochgezogen, und mein Bootsführer reihte sich ohne weitere Anweisung auf der rechten Seite des Kanals ein. Der Verkehr, der in die Gegenrichtung schwamm, hatte das linke Ufer belegt; in der Mitte blieb genügend Platz für das große Schiff, das von einer ganzen Reihe von Ruderbooten langsam vorwärts gezogen wurde. Es war kein Vergleich zu der mühelosen Eleganz, mit der sich die Aquila gestern durch den Kanal bewegt hatte.
Als wir in die weite Wasserfläche des Kanals von San Marco hinauskamen, entfernte der Bootsführer sein Fahrzeug vom Ufer. Ich sah, dass er beabsichtigte, die Anlegestellen vor dem Arsenal in einem weiten Bogen anzusteuern. Ich war darüber nicht traurig, denn die Strecke führte uns auf diese Weise in großem Abstand an Barberros Kogge vorbei, die dunkel und hässlich zwischen den anderen Schiffen an der Riva degli Schiavoni lag. Ich glaubte nicht, dass Fulvio, sollte er mich erblicken, am hellen Tag etwas gegen mich unternommen hätte, aber ich wollte das Schicksal auch nicht herausfordern.
Ich hatte erwartet, in der hoffnungslosen Gegend hinter dem Arsenal sogleich wieder auf die Kinder zu stoßen, die das Katzenspiel vorführten, doch ich sah mich getäuscht. Entweder war den Fängern keine Katze in die Hände geraten, oder Calendars und mein gestriges Auftauchen hatten die Spieler nervös gemacht. Ich wagte nicht, allzu tief in die Gassen einzudringen, die zwischen den verfallenden Hütten verliefen. Schließlich fand ich, was mir von gestern als hoffnungsloser Anblick aus dem Augenwinkel in Erinnerung geblieben war: die kleine Kirche, die zwischen den verwahrlosten Häusern stand wie eine abgerissene Mutter zwischen ihren bettelnden Kindern. Sie war aus mattbraunen Ziegeln erbaut, mit rundbogigen Fenstern ohne Glas und einem gedrungenen Turm, der sich kaum über den niedrigen Dachfirst erhob. Die Überreste der alten Brände an ihren Mauern lagen auf den Backsteinen wie Schimmel. Ich trat ein.
Was immer sich an Schmuck darin befunden hatte, war von Dieben entwendet oder vom Priester verkauft worden. Die Wände waren innen so nackt wie außen. Im Altarraum lehnte ein Kreuz an der hinteren Wand. Es sah merkwürdig asymmetrisch aus; dann erkannte ich, dass die beiden Balken aus den gebrochenen Rudern einer Galeere bestanden, deren Ruderblätter diesen schiefen Eindruck verursachten. In einer Ecke befand sich ein Häufchen Lumpen, das sich bei meinem Eintreten zu bewegen begann und das dreckige Gesicht und die verschmutzten Klauenhände eines Menschenwesens offenbarte, aus dem Alter und Verwahrlosung jegliche Geschlechtlichkeit getilgt hatten. Der Kopf sank wieder zurück, sein Besitzer war entweder zu schwach oder zu resigniert zum Betteln. In einer anderen Ecke hatte eine zweite heimatlose Seele aus Stroh und klumpigen Wollfadenbündeln eine Burg gebaut. Keinerlei Bewegung war dort zu sehen, der Bewohner des verwahrlosten Nests war entweder nicht anwesend oder längst unter seiner Decke verhungert.
Der
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