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Die schwarzen Wasser von San Marco

Die schwarzen Wasser von San Marco

Titel: Die schwarzen Wasser von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Dandolo zum Leben erwacht. Ich sah den Schreiber, der soeben von Andrea seine Anordnungen entgegengenommen hatte, wie er mit lauter Stimme die Befehle weitergab. Ein halbes Dutzend Männer war damit beschäftigt, Säcke und Ballen in der Gegend herumzuzerren und Fässer in einem Lagerraum in eine Ecke zu rollen. Einer der Säcke war geplatzt und hinterließ eine dicke Mehlspur auf dem Boden, über die achtlos hinweggetrampelt wurde. Alle Türen zu den Speicherräumen waren offen. In einem davon, dessen Außenwand, wie ich mich erinnerte, zum Rio della Pergola führte, standen zwei feiner gekleidete Männer und malten mit Kreiden Zeichen an die Wand; wahrscheinlich ein Baumeister und ein Architekt, die über den Wanddurchbruch berieten. Andrea verlor nicht viel Zeit damit, seine Pläne umzusetzen. Wenn Enrico Dandolo nicht bald zurückkehrte, würde er sein Haus nicht wiedererkennen.
    Etwas abseits des ganzen Trubels stand ein Mann. Er hatte die Arme in die Seiten gestützt und betrachtete das Treiben mit erstauntem Kopfschütteln. In der fahlen Düsternis der Halle wirkte er massiv und geradezu absurd breitschultrig. Dann trat er beiseite, als zwei Männer einen großen Ballen mit dunklen Wasserflecken auf seiner Umhüllung an ihm vorbeischleiften, und seine Gestalt wurde in ihrer richtigen Größe offenbar. Ich winkte dem Boten zu, auf mich zu warten, und trat an den Mann heran.
    »Guten Morgen, Herr Chaldenbergen«, sagte ich. »Gehören Sie zu den Geschäftspartnern von Enrico oder von Andrea Dandolo?«
    Überrascht sah er auf.

4
    »Mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte er misstrauisch, während er versuchte, mein Gesicht einzuordnen. Sein Verhalten war erstaunlich reserviert, wenn man es mit seiner aufgesetzten Jovialität vom Vortag verglich.
    »Wir haben uns gestern zufällig im Haus von Rara de Jadra getroffen …«
    »Oh, natürlich!« Chaldenbergen schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Verzeihung. Das ist mir peinlich. Es ist nur so dunkel hier drin, und ich war so vertieft in die Betrachtung dieses Rummels …« Sein Gesicht zog sich in einem Lächeln plötzlich in die Breite. »Peter Berwand, stimmt’s?«
    Ich nickte, ohne den kleinen Fehler zu verbessern. Chaldenbergens Lächeln wurde noch breiter. »Sie sind doch der Kerl, der in Florenz war. Tolle Geschichte.«
    »Nicht mal die Hälfte davon entspricht der Wahrheit.«
    Er grinste amüsiert und zuckte dann zusammen, als einer der Arbeiter in Dandolos Lager einem anderen einen ellenlangen Fluch zukommen ließ, den dieser ausgiebig erwiderte. Kurz darauf widmeten sich beide wieder friedlich ihrer Arbeit. Chaldenbergen deutete auf das hektische Treiben um uns herum. »So etwas habe ich in Enricos Haus noch nie gesehen.«
    »Damit haben Sie meine Frage auch schon beantwortet.«
    Chaldenbergen sah mich verwirrt an.
    »Wessen Geschäftspartner Sie sind. Enrico Dandolo hat nämlich einen neuen Verwalter.«
    »Tatsächlich? Davon habe ich noch nichts gehört.«
    »Seinen Neffen.«
    »Aber sein Neffe ist doch schon seit bald zwei Jahren …«
    »Nicht Pegno. Andrea. Und er regiert mit kundiger Hand.«
    »Ich verstehe«, sagte Chaldenbergen, und es war ihm anzusehen, dass er nichts verstand. »Na, wie auch immer, es kann gar nicht schaden, wenn hier mal etwas Leben reinkommt.«
    »Wie lange stehen Sie denn schon mit Enrico Dandolo in geschäftlicher Verbindung?«
    »Seit ich hier bin, glaube ich. In letzter Zeit allerdings … na ja, man soll nichts Schlechtes über seine Geschäftspartner sagen, stimmt’s? Jeder hat mal eine Pechsträhne.«
    »Soviel ich weiß, ist Enrico Dandolo nicht hier.«
    »Was? Er hat mir eine Lieferung versprochen.«
    »Wovon? Hiervon?« Ich machte eine spöttische Handbewegung, die den Inhalt der Halle umfasste.
    Er lachte. »Nein, bewahre. Ich gebe heute Abend ein kleines Fest für einige hohe Herren der Stadt, Sie verstehen.« Er verstummte und sah einer mageren Katze nach, die plötzlich auftauchte, mit nervös zuckendem Schwanz durch das Lager strich und davonstob, als einer von den Arbeitern zu nahe an sie heranstapfte. »Die hätte man fangen sollen«, seufzte Chaldenbergen.
    »Wozu denn?«
    »Das Haus, in dem ich Logis bezogen habe, ist verseucht mit Mäusen und Ratten. Kennen Sie die Geschichte von den Kanarischen Inseln, die eine Mäuseplage hatten und die Tiere einzeln mit dem Knüppel erschlagen mussten? Dann kam ein kluger Kaufmann und schenkte ihnen eine Katze, und sie priesen seinen Namen. Im

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