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Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen

Titel: Die Schwebebahn - Dresdner Erkundungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Tellkamp
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haben in der Galerie? Die Bilder so langsam abgehängt und verpackt, daß jeder, der sehen wollte, sehen konnte. Tagelanges Abhängen. – Die Lohse-Wächtler mit ihrem schrecklichen Schicksal, sagte Niklas, Richterhanstheo, Heuer, Kretzschmar, Rudolph mit seinen Zeichnungen »Das zerstörte Dresden«, – Rudolph habe ja Querner mal beim Materialeinkauf getroffen, sagte Urvasi, und habe ihn gefragt, was er von seinem Porträt des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht halte. Querner habe geantwortet, daß er das Bild für eine starke Leistung eines Siebenundsiebzigjährigen halte. – Charakterkopp, der Rudolph, sagte Niklas, wenn man zur Unzeit kam, flog einem die Tapetenbürste entgegen. Kretzschmar und Rudolph, einander spinnefeind, hätten ja ihre Ateliers in der Kunsthochschule nebeneinander gehabt. Eines Tages hätten sie auch nebeneinander auf dem Klo gesessen, beim Rudolph das Papier alle. Nach langer Zeit habe ihm der Kretzschmar eine Rolle durchgeschoben, nicht ohne schöne Skizze. Körnig, über dessen Dachbodenausstellungen der alte Löffler einfühlsam geschrieben habe, die Blumenstilleben von Paul Wilhelm, kinderhautzart, sein liebendes Bildnis der Dame mit dem gelben Hut. – Die Neueren, sagte Urvasi: Richtergerhard natürlich und Penck, Bildhauer Makolies mit seinen Eckgesichtern am Funktionsgebäude der Semperoper, die Maske zur SED-Bezirksleitung mit herausgestreckter Zunge, – da wir bei Bildhauern sind, sagte Niklas: Bildhauer Wanitschke noch nachts halb vier aus’m Bett in Hosterwitz gefahren eines Albtraums wegen, in die Frauenkirche gerast und seine Engel nachgemessen: Himmel! ’s stimmt doch! Wirst nicht im Höllenkreis der Pfuscher schmoren, – war’s nicht um vier? sagte Urvasi, der wuchtige Giebe, Hermann Naumann, die Hampel, von der die Undine im Pieschener Hafen stamme, Plenkers, Kerbach, Havekost, die klare Raserei Uhligs, die wie aus Pflanzenfasern gesponnenen Elbuferskizzen Gerda Lepkes, Klaus Drechsler und seine Algraphien, Cornelia Schleime, Eisenfeld und wer nicht noch alles, die Hälfte sichervergessen, wir unsicheren Sänger, – Glöckner, sagte Niklas, der bedeutende Konstruktivist, dessen Atelier der Fotograf Lieberknecht bewahrt habe in bemerkenswerten Aufnahmen. Er erinnere sich an eine Kanne voller Löffel, schmollend am Fenster unweit einer anmutig auf Stange gezogenen Sperre aus Wäscheklammern, ein Regal mit Acrylbüchsen, die Glöckner mit großgezirkelten Erkennungs-Farbscheiben präpariert habe, an die Wandtabletts mit Entwurfsmappen, zwischen denen eine herrliche glatte brünierte Schraubzwinge offenbar aus purer Lust im Holz gesessen habe, und die Mappentitel: »Flecken«, »Kurven 1«, »Kurven 2«, »Schablone«; kolossal, sagte Niklas, dieser so bedächtig-liebenswerte Irrsinn einer Verbindung von Kirche und Bastelstube, das sei nicht ordentlich, sondern Ordnung gewesen, durchkreuzt von Magischen Quadraten, trockenen, in Einmachgläsern beurlaubten Heliotropzweigen, kauzigen Dreiecken und Büroklammern, die Gottesanbeterinnen glichen, und selbst eine Schachtel mit zusammengerollten Bindfäden, ja, der Inhalt von Glöckners Papierkorb sei Kunst gewesen. – Was ihn angesichts der Villa Marie, in der man neuerdings so schön italienisch essen könne, sagte Urvasi, an die fabelhaft queren Kunstaktionen erinnere, die man in der Ära von Wanda Reichardt dort veranstaltet habe. »Moosrose 10« zum Beispiel, worüber der Autor Tellkamp, nach Lektüre der Erinnerungen des Fotografen Nützenadel im Elbhangkurier, eine freilich ziemlich paßgängerische Moritat verfaßt habe: Moosrose war ein Rennpferd ohne Klasse und Fortune, / rannte in der untersten Liga, stand nie im Siegergrün. / Es kam sein letzter Lauf. Die Künstler der Villa Marie / versammelten sich auf der Rennbahn, dann tippten sie / gesponserte Wettscheine auf Moosrose. – Totalverlust. / Moosrose rannte tapfer, chancenlos, die Zunge hing ihm bis zur Rennpferdbrust. / Und dennoch. Man feierte frenetisch. Man gab ihn nicht verloren. / Man ehrte ihn mit einem Kranz aus Möhren. Er war auserkoren / zum Held des Tages. Man salbte ihn mit Kräuterquark / aus einer Künstlerbadewanne. Arm, aber stark / begann das Happening. Siebzig Exemplare / gab es vom Katalog, und darin rare Ware: / 1. Moosroses Stammbaum. 2. Frische, heiße / eingeschweißte Stücke Pferdescheiße. / Natürlich alles viel zu subversiv. / Weswegen man die Staatsmacht rief. / Witz, du weicher Widerstand,

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