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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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Mund stets einen feuchten Schimmer. Ihr Parfüm schien auf der Stelle beseligende Erfüllung zu versprechen. Zu gewissen Zeiten und in gewissen Stimmungen mußte sie für junge, empfängliche Menschen nahezu unwiderstehlich sein. Für Martin vielleicht? Für Quinn? Die Versuchung war bestimmt ständig dagewesen. Sogar ich, dachte Morse, ein empfänglicher Mann mittleren Alters … Aber er drängte den Gedanken in den Hintergrund. Wie stand es mit Ogleby? Oder gar mit Bartlett? Eine interessante Überlegung. Morse erinnerte sich an den Abschnitt aus Gibbon über eine der Prüfungen für junge Novizen. Man stecke den Prüfling die ganze Nacht über mit einer nackten Nonne in einen Sack und warte ab, ob … Morse schüttelte heftig den Kopf und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Immer dasselbe nach reichlichem Bierkonsum …
    »Dürfte ich wohl mal eben meine Tochter anrufen, Inspector?«
    (Tochter?) »Ich bin meist um diese Zeit schon auf dem Heimweg, und sie wird sich wundern, wo ich abgeblieben bin.« Morse hörte zu, während sie am Telefon erklärte, wo sie steckte.
    »Wie alt ist Ihre Tochter, Miss – äh – Miss Height?«
    Sie lächelte verständnisinnig. »Schon in Ordnung, Inspector. Ich bin geschieden, und Sally ist sechzehn.«
    »Sie müssen sehr jung geheiratet haben.«
    »Ich war so töricht, mich mit achtzehn zu binden, Inspector. Sie waren da bestimmt viel vernünftiger.«
    »Ich? Ja, sicher … das heißt, nein, ich bin nicht verheiratet.« Wieder trafen sich ihre Blicke, und Morse hatte den Eindruck, daß er im Begriff war, sich auf ein gefährliches Leben einzulassen. Es wurde Zeit, daß er der schönen Monica ein paar wichtige Fragen stellte.
    »Wann haben Sie Mr. Quinn zum letztenmal gesehen?«
    »Komisch, daß Sie ausgerechnet diese Frage stellen. Wir haben gerade …« Es war wie eine bis zum Überdruß bekannte Schallplatte. Sie hatte ihn am Freitag vormittag gesehen, ja, das wußte sie ganz genau. Aber am Freitag nachmittag? Daran konnte sie sich nicht recht erinnern. Das war schwierig. Der Freitag lag ja schließlich inzwischen … wie lange … ja, fünf Tage zurück. (Wie hatte der Polizeiarzt gesagt? Könnten vier, fünf Tage sein.)
    »Mochten Sie Mr. Quinn?« Morse beobachtete sie scharf und hatte den Eindruck, daß sie auf diese Frage nicht hinreichend vorbereitet war.
    »Ich kenne ihn natürlich noch nicht lange. Zwei oder drei Monate, nicht? Aber ich mochte ihn, ja. Sehr sympathischer Mensch.«
    »Mochte er Sie?«
    »Was meinen Sie damit, Inspector?«
    Ja, was meinte er damit? »Ich dachte nur … na ja, ich meint eben …«
    »Wollen Sie wissen, ob er mich attraktiv gefunden hat?«
    »Das hat er bestimmt – ob er wollte oder nicht.«
    »Wie nett Sie das sagen, Inspector.«
    »Hat er Sie auch ausgeführt?«
    »Ein- oder zweimal hat er mich in der Mittagspause auf einen Drink ins Pub eingeladen.«
    »Und Sie sind mitgegangen?«
    »Warum nicht?«
    »Was hat er getrunken?«
    »Sherry, glaube ich.«
    »Und Sie?«
    Wieder fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich habe einen etwas kostspieligeren Geschmack.«
    »Wohin sind Sie gegangen?«
    »Ins Pub Roß und Trompete. Hier an der Ecke. Sehr gemütlich, würde Ihnen gefallen.«
    »Vielleicht sehen wir uns mal dort.«
    »Warum nicht?«
    »Sie haben einen kostspieligen Geschmack, sagten Sie?«
    »Da finden wir schon eine Lösung.«
    Wieder trafen sich ihre Blicke, und in Morses Kopf läuteten die Sturmglocken. Er stand auf. »Tut mir leid, daß ich Sie so lange aufgehalten habe, Miss Height. Bitte entschuldigen Sie mich bei Ihrer Tochter.«
    »Die kommt schon zurecht. Sie ist neuerdings viel zu Hause, sie muß in ein paar Fächern die Prüfungen für den Realschulabschluß wiederholen, und wenn sie nicht gerade eine Arbeit schreibt, braucht sie nicht zum Unterricht zu kommen.«
    Morse stand an der Tür, der Abschied fiel ihm sichtlich schwer.
    »Wir sehen uns sicher noch.«
    »Hoffentlich, Inspector.« Ihre Stimme war leise, angenehm und – ja, verdammt noch mal – sexy.
     
    Endlich, dachte Lewis erleichtert. Er saß seit zwanzig Minuten mit Bartlett, Ogleby und Martin in der Halle. Alle drei hatten ihre Mäntel und Taschen mit, mochten aber offenbar nicht gehen, ehe Morse das Startzeichen gegeben hatte. Quinns Tod hatte die Stimmung verdüstert, und sie hatten sich wenig zu sagen. Ogleby war Lewis sympathisch gewesen, aber er hatte nichts Wesentliches von ihm erfahren. Ja, sagte Ogleby, er erinnere sich, Quinn am Freitag
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