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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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vormittag gesehen zu haben, nicht aber am frühen Nachmittag. Alle anderen Fragen, die Lewis ihm stellte, hatte er allem Anschein nach offen und ehrlich beantwortet, aber an Informationswert hatten sie nichts hergegeben. Ganz anders war das Gespräch mit Martin verlaufen. Nach Einsetzen der verzögerten Schockwirkung war er verkrampft und nervös und hatte behauptet, er könne sich nicht erinnern, Quinn am Freitag überhaupt gesehen zu haben.
    Morse bedankte sich etwas linkisch für die Unterstützung der Mitarbeiter und ließ sich von Bartlett bestätigen, daß nichts dagegen einzuwenden war, wenn er und Lewis noch im Haus blieben. Der Hausmeister war ohnehin bis halb acht da, und auch danach standen ihnen selbstverständlich alle Räume offen, solange sie es wünschten. Ehe Bartlett aber die Schlüssel zu Quinns Büro und seinen Aktenschränken aus der Hand gab, hielt er Morse mit schulmeisterlicher Miene einen kleinen Vortrag über die streng vertrauliche Beschaffenheit der Unterlagen, die sie dort vorfinden würden. Diese Tatsache sei äußerst wichtig, und sie sollten sich daher immer vor Augen halten, daß … Ja, ja, ja. Hab ich ein Glück, daß Bartlett nicht mein Chef ist, dachte Morse. Für den scheint es ja schon eine Sünde wider den Heiligen Geist zu sein, wenn man vor dem Austreten mal einen Aktenschrank offenläßt.
    Morse schlug vor, einmal um den Block zu gehen, und Lewis stimmte bereitwillig zu. Das Haus war überheizt, und die kühle, saubere Nachtluft tat gut. An der Ecke Woodstock Road kamen sie an dem Pub Roß und Trompete vorbei, und Morse sah automatisch auf die Uhr.
    »Macht einen netten Eindruck, Lewis. Waren Sie schon mal drin?«
    »Nein, Sir, und Bier hatte ich heute auch schon genug. Eine Tasse Tee wär mir lieber.« Zu seiner Erleichterung machten die Pubs erst zehn Minuten später auf. Lewis berichtete Morse über seine Gespräche, Morse seinerseits informierte Lewis über das, was er von den anderen erfahren hatte. Beide hatten offenkundig nicht das eindeutige Gefühl, einem Mörder ins Gesicht gesehen zu haben.
    »Dufte Puppe, was?«
    »Bitte?«
    »Jetzt tun Sie bloß nicht so unschuldig, Sir!«
    »Na ja, wenn man auf den Typ steht …«
    »Immerhin haben Sie sich offenbar die Dame reserviert.«
    »Ein bißchen Spaß muß der Mensch ja auch mal haben.«
    »Eigentlich erstaunlich, daß Sie bei ihr nicht mehr rausgekriegt haben. Ich hab den Eindruck, daß sie, wenn’s drauf ankommt, als erste was rausläßt.«
    »Würde mich nicht wundern, wenn sie ebenso schnell dabei ist ihr Höschen runterzulassen.«
    Manchmal, fand Lewis, drückte sich Morse wirklich unnötig ordinär aus.

8
     
    Quinns Büro war geräumig und gut eingerichtet. Zwei blaue Ledersessel waren ordentlich unter den Schreibtisch geschoben. Die Schreibtischplatte war leer. Im Eingangskorb lagen ein paar Briefe, im Ausgangskorb gähnte ebenfalls völlige Leere, die große Schreibunterlage war am Rand mit Namen, Nummern und bedeutungslosen Schnörkeln in schwarzem Kugelschreiber bekritzelt. An zwei Wänden stapelten sich Geschichtsbände und Ausgaben englischer Klassiker bis an die Decke, die gelben, roten, grünen und weißen Rücken verliehen dem hellen, freundlichen Raum weitere Farbtupfer. Drei dunkelgrüne Aktenschränke standen an der dritten Wand, an der vierten hingen ein Schwarzes Brett aus Holz und Reproduktionen von Atkinson Grimshaws Gemälden der Docks von Hull und Liverpool. Nur der weiße Teppich, der fast die ganze Bodenfläche bedeckte, zeigte deutliche Abnutzungserscheinungen, und als Morse sich majestätisch in Quinns Sessel niederließ, stellte er fest, daß der unter dem Schreibtisch stehende leere Papierkorb eine fast kahle Stelle kaschierte. Zu seiner Rechten standen auf einem Tischchen mit schwarzer Platte zwei Telefonapparate, ein weißer und ein grauer, daneben ein Stapel von Telefonbüchern.
    »Nehmen Sie sich die Schränke vor, Lewis, ich versuch’s mal im Schreibtisch.«
    »Suchen wir was Bestimmtes, Sir?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    Lewis beschloß, sich auf die ihm eigene methodische Art vorzukämpfen. Zumindest versprach es eine fesselndere Aufgabe zu werden als die Inventarisierung von Reispuddingdosen.
    Er erkannte sehr bald, wieviel Mühe und Arbeit in der Erstellung der Fragebögen für staatliche Prüfungen steckt. Das oberste Schubfach in dem ersten Schrank, den er sich vornahm, war bis obenhin mit dicken gelben Mappen gefüllt, die Kopien von Entwürfen, ersten Fahnenabzügen,
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