Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
Vom Netzwerk:
ihm zu berichten, was er am vergangenen Freitag gemacht hatte. Roope gab bereitwillig Auskunft. Er hatte den Acht-Uhr-fünf-Zug nach London genommen, der um 9 Uhr 10 in Paddington ankam, und war mit der Untergrundbahn zum Mansion House gefahren. Mit seinem Verleger hatte er sich zu einer Besprechung über die Fahnenabzüge für ein Werk über industrielle Chemie zusammengesetzt, war dort gegen 10 Uhr 45 weggegangen, hatte irgendwo am Strand einen Geflügelsalat gegessen, etwa eine Stunde in der National Portrait Gallery am Trafalgar Square verbracht und war dann wieder nach Paddington gefahren, wo er um 15 Uhr 05 einen Zug nach Oxford bestiegen hatte.
    Morse hatte plötzlich das Gefühl, daß Roopes Aussage irgendwie und irgendwo nicht astrein war – ein Gefühl, das er sich selbst nicht recht erklären konnte. Es klang alles zu glatt, zu geläufig. Vieles stimmte zweifellos (der Besuch bei seinem Verleger zum Beispiel). Auch daß er nach London gefahren war, mochte stimmen. Aber wann genau war er zurückgekommen? Er habe gegen 10 Uhr 45 den Verlag verlassen, hatte Roope gesagt. Wenn er mit dem Taxi zur Paddington Station … ja, natürlich, Roope hätte ohne Mühe noch vor dem Mittagessen wieder in Oxford sein können. »Ich frage nur interessehalber, Sir«, sagte Morse milde. »Könnten Sie das alles auch beweisen?«
    Roope sah ihn scharf an. »Das glaube ich kaum.«
    »Sie haben in London keine Bekannten getroffen?«
    »Ich sage doch, ich war –«
    »Ja, gewiß. Später, meine ich.«
    »Nein.« Das kam kurz und knapp, und Morse überlegte, daß Roopes schlanke Figur und sein ziemlich manieriertes Gebaren täuschen mochten und er möglicherweise körperlich und geistig bedeutend robuster war, als er aussah. Sicher war, daß er Zweifel an seinen Worten schlecht vertragen konnte. Hatte er vielleicht deshalb mit Bartlett …
    »Gut, lassen wir das einstweilen. Eine andere Frage. Kannten Sie Quinn schon vor seiner Einstellung?«
    »Nein.«
    »Sie kommen aber aus seiner Gegend, nicht?«
    »Im Klartext: Ich habe keinen Oxford-Akzent.«
    »Ich tippe auf Yorkshire.«
    »Sie haben offenbar Ihre Hausaufgaben gemacht.«
    »Dafür werde ich bezahlt.«
    »Ich bin aus Bradford – und von da stammte auch Quinn. Aber um es ganz deutlich zu sagen: Ich hatte ihn noch nie gesehen, ehe er zum Vorstellungsgespräch kam. Glauben Sie mir das?«
    »Ich glaube Ihnen alles, was Sie sagen, Sir. Warum auch nicht?«
    »Sie müßten ganz schön bescheuert sein, wenn Sie alles glauben würden, was die Leute Ihnen so erzählen.« Die Feindseligkeit in seiner Stimme war jetzt kaum noch verhüllt, und Morse fand allmählich Spaß an der Sache.
    »Man kann mir alles mögliche nachsagen«, meinte er ganz freundlich, »aber bescheuert bin ich nicht.«
    Roope schwieg, und Morse fuhr fort: »Haben Sie ein Auto?«
    »Nein, ich hatte mal eins, aber ich wohne gleich hier in der Woodstock Road –«
    »Das sind Junggesellenwohnungen, nicht?«
    Roope lächelte unerwartet. »Warum fragen Sie mich nicht zur Abwechslung mal Sachen, die Sie noch nicht wissen, Inspector?«
    Morse zuckte die Schultern. »Na schön. Hat es geregnet, als Sie aus London zurückkamen?«
    »Ja, es war der reinste Wolkenbruch. Ich –« Plötzlich ging ihm ein Licht auf. »Jawohl, ich habe mir zur Geschäftsstelle ein Taxi genommen, das müßte sich eigentlich irgendwie beweisen lassen.«
    »Erinnern Sie sich an den Fahrer?«
    »Nein, aber ich glaube, ich weiß noch, welches Taxiunternehmen es war.«
    Damit hatte Roope natürlich recht, das festzustellen konnte nicht allzu schwierig sein. »Wir können es ja mal versuchen.«
    »Warum nicht?« Roope stand auf und griff nach seinen Büchern. »Wie heißt es so schön? Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.«
    Als sie die Carfax hinaufgingen und dann nach links in die Queen Street einbogen, hatte Morse das Gefühl, daß er irgendwo danebengegriffen hatte. Vor der Taxischlange am Bahnhof blieben sie stehen. »Am besten überlassen Sie das mir«, sagte er, »ich habe da meine Erfahrungen.«
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich es gern selber machen.«
    Morse blieb unter dem Wartesaal-Schild stehen und kam sich ausgesprochen überflüssig vor.
    Fünf Minuten später war Roope wieder da. Er wirkte recht bedeppert. Es war lange nicht so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte, er würde es aber trotzdem gern weiter allein versuchen. Morse hatte nichts dagegen. Wenn dem jungen Mann so viel daran lag, sich zu

Weitere Kostenlose Bücher