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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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halb fünf – plötzlich in den Räumen der Geschäftsstelle aufgetaucht war; es war Roope gewesen, der in die Zimmer aller akademischen Mitarbeiter gesehen hatte. Was hatte er dort zu suchen gehabt? Und was hatte er getrieben, nachdem Noakes nach oben gegangen war, um seinen Tee zu trinken? Viertens war da die seltsame Animosität zwischen Roope und Bartlett, und Morse hatte den Eindruck, daß dahinter mehr steckte als nur der Streit um Quinns Einstellung. Immerhin war es interessant, daß es bei dem Streit ausgerechnet um Quinn gegangen war. Und das paßte gut zu dem fünften Punkt, den Morse am Vormittag durch geduldige Grabungsarbeiten in der Hochschulregistratur zutage gefördert hatte – daß nämlich Roope auf eine Privatschule in Bradford gegangen war, in eben jener Stadt, in der Quinn – erst als Schüler, dann als Lehrer – fast sein ganzes kurzes Leben verbracht hatte. Hatten die beiden sich schon vor Quinns Anstellung bei dem Verband für Auslandsprüfungen gekannt? Und warum hatte Roope so viel daran gelegen, Quinn zu dem Posten zu verhelfen? Quinn war 31 gewesen, Roope war 30, und wenn sie befreundet gewesen waren … Aber wo blieb da die Logik? Man bringt doch nicht seine Freunde um. Es sei denn …
    Ein Trio vergnügter, langhaariger, bärtiger Studenten in T-Shirts und Jeans betrat das Pub. Wie sich die Zeiten ändern, dachte Morse. Er selbst hatte Halstuch oder Krawatte getragen – und manchmal einen Blazer. Aber das war lange her. Er leerte sein Glas und sah auf die Uhr.
    »Chief Inspector Morse?« Es war einer der drei Bärtigen. Offenbar, überlegte Morse, bin ich noch weit rückständiger, als ich dachte.
    »Mr. Roope?«
    Der junge Mann nickte. »Darf ich Ihnen noch was zu trinken holen?«
    »Lassen Sie mich …«
    »Nein, nein, meine Runde. Was trinken Sie?«
    Bei einem frischen Bier berichtete ein etwas verunsicherter Morse über den bisherigen Stand der Ermittlungen, soweit er das für klug hielt, und unterstrich, wie wichtig es sei, die Tatzeit genau festzulegen. Als Roopes Besuch in der Geschäftsstelle am vergangenen Freitag zur Sprache kam, vermerkte Morse angenehm überrascht, wie präzise und – wenn man Noakes glauben durfte – wie zutreffend Roope schilderte, was sich dort im Haus abgespielt hatte. Alles in allem bestätigten sich Roope und Noakes wechselseitig in ihren Aussagen. Nur in einigen Punkten erwies sich Roopes Gedächtnis als nicht ganz zuverlässig, und an diesen Stellen hakte Morse sofort nach.
    »Sie sagen, auf Quinns Schreibtisch habe ein Zettel gelegen?«
    »Ja, der Hausmeister müßte ihn auch gesehen haben. Wir haben beide –«
    »Aber was draufstand, wissen Sie nicht mehr genau?«
    Roope schwieg ein paar Sekunden. »Nein. So etwa in dem Sinn wie ›Komme gleich wieder‹ …«
    »Und Quinns Anorak lag auf einem der Sessel?«
    »Ja, er hing über der Lehne des Sessels, der hinter seinem Schreibtisch stand.«
    »Ob er naß war, ist Ihnen nicht aufgefallen?«
    Roope schüttelte den Kopf.
    »Und die Schränke standen offen, sagen Sie?«
    »Einer bestimmt. Der Hausmeister hat ihn zugemacht und abgeschlossen.«
    »Offenstehende Schränke dürften unter Bartlett doch wohl eine Seltenheit sein, wie?«
    Roope feixte entwaffnend. »Ein alter Gauner, dieser Bartlett. Bei dem müssen sie alle spuren.« Er zündete sich eine Zigarette an und legte das abgebrannte Streichholz mit der linken Hand ordentlich in die Schachtel zurück.
    »Wie kommen Sie denn mit ihm zurecht?«
    Roope lachte laut auf. »Ich? Wir sind nicht auf einer Wellenlänge. Sie haben wohl gehört –«
    »Nach dem, was man sich so erzählt, sind Sie nicht gerade Busenfreunde.«
    »Ganz so würde ich es nicht ausdrücken. Sie dürfen nicht alles glauben, was geredet wird.«
    Morse ließ die Frage auf sich beruhen. »Mr. Ogleby war nicht in seinem Zimmer, sagen Sie?«
    »Jedenfalls nicht, während ich im Haus war.«
    Morse nickte. Das klang glaubhaft. »Wie lange waren Sie im Haus, Sir?«
    »Eine Viertelstunde, schätze ich. Ob Ogleby oder einer der anderen da war, kann ich nicht sagen, aber dann hätte ich sie eigentlich sehen müssen.«
    Morse nickte wieder. »Ganz recht, Sir. Ich glaube auch nicht, daß jemand im Haus war.« Seine Gedanken schweiften ab. Sekundenlang wandte ihm eine der Silhouetten auf der Höhlenwand ihr Profil zu, ein Profil, das Morse deutlich zu erkennen glaubte.
    Roope unterbrach seinen Gedankengang. »Wenn ich Ihnen sonst noch was sagen –«
    Morse leerte sein Glas und bat Roope,

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