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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Sir?«
    »Sollen Sie, Lewis. Und das werden Sie auch, wenn Sie sich mal den Freitag vor Augen halten, an dem Quinn ermordet wurde.«
    »Daß er am Freitag ermordet wurde, steht also fest?«
    »Wenn’s drauf ankäme, könnte ich Ihnen die Tatzeit wahrscheinlich sogar bis auf die Minute genau nennen.«
    Morse wirkte sehr selbstzufrieden, und Lewis war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, seine Neugier zu befriedigen, und einem gewissen Widerstreben, das bereits überaus gut entwickelte Ego seines Chefs noch mehr aufzublähen. Aber so langsam sah er Land. Ja, natürlich, Noakes hatte gesagt … Er nickte vor sich hin, und die Neugier siegte.
    »Wie war das dann aber mit der Geschichte im Kino? War das einfach eine raffiniert gelegte falsche Spur?«
    »Keineswegs. Sie war als falsche Spur gedacht, verhalf uns aber – vom Standpunkt des Mörders aus bedauerlicherweise – zu mehreren entscheidenden Hinweisen. Überlegen Sie mal. Mit jeder neuen Information über Quinns Tod rückte die Tatzeit immer weiter in den Abend hinein. Gegen 12 Uhr 20 rief er in Bradford an. Um halb zwei ging er ins STUDIO 2, nachdem er seiner Sekretärin einen Zettel hingelegt hatte. Viertel nach fünf kam er wieder ins Büro zurück und fuhr nach Hause. Er legte seiner Putzfrau einen Zettel hin und ging einkaufen. Zehn nach fünf telefonierte er. Vor halb sieben – das heißt, bis Mrs. Evans kam – hatte niemand das Haus betreten. Mrs. Greenaway hatte die ganze Zeit die Einfahrt im Blick. Also muß Quinn später am Abend oder sogar erst am folgenden Vormittag ermordet worden sein. Der Obduktionsbericht hat uns da nicht viel gebracht, es blieb uns nichts anderes übrig, als unserer Nase zu folgen – was wir getan haben. Aber wenn man genau hinsieht, stellt sich heraus, daß nach Freitag mittag niemand mehr Quinn wirklich gesehen hat. Nehmen wir das Telefonat mit Bradford. Ein Lehrer – und alle akademischen Mitarbeiter des Verbandes waren mal im Schuldienst – weiß, daß 12 Uhr 20 eine besonders ungünstige Zeit ist, jemanden vom Lehrpersonal ans Telefon zu bekommen. In den meisten Schulen wird da noch unterrichtet. Im Klartext: Der Anrufer hatte gar nicht die Absicht, seinen Gesprächspartner auch zu erreichen. Erreicht wurde nur – und zwar leider sehr erfolgreich –, daß ich mich vergaloppiert habe. Jetzt zu dem Zettel, den Quinn auf seinen Schreibtisch gelegt hat. Wir wissen, daß Bartlett in seinem Laden ein ziemlich strenges Regiment führte. Zu seinen eisernen Regeln gehört, daß die Mitarbeiter eine Mitteilung hinterlassen, wenn sie aus dem Haus gehen. Quinn war seit einem Vierteljahr bei dem Verband, er war ein heller Kopf, der es seinem Chef recht machen wollte. Er muß in diesen drei Monaten Dutzende von Zetteln geschrieben haben. Für jemanden, der so was gut gebrauchen konnte, um ein Alibi zu festigen, war es ein leichtes, irgendwann eine dieser Kurzepisteln an sich zu nehmen – und das hat dieser Jemand prompt getan. Wir kommen zu dem Telefongespräch, das Mrs. Greenaway mitgehört hat. Auch hier ist wichtig, daß sie nicht gesehen hat, wie Quinn telefonierte. Sie ist nervös, sie glaubt, daß das Baby jeden Augenblick kommen kann, sie hat nicht das geringste Interesse an dem, was gesprochen wird, ihr geht es nur darum, daß die Telefonierenden endlich die Leitung freimachen. Sie hört Stimmen, nimmt sie aber nicht auf, wartet nur sehnsüchtig darauf, daß endlich Schluß ist. Und wenn der andere Gesprächspartner – der, den Quinn ihrer Meinung nach angerufen hat – gerade jetzt den größten Teil des Gesprächs bestreitet … Begreifen Sie jetzt, worauf ich bei Roope hinauswollte, Lewis? Wenn es Roope war, der in der Leitung hing, der gelegentlich ein Ja oder Nein einschob, würde Mrs. Greenaway, deren Gehör nach eigener Aussage ohnehin nicht besonders gut ist, ihn automatisch für Quinn halten. Quinn stammte, wie Roope, aus Bradford, beide hatten einen ziemlich breiten nordenglischen Akzent, und Mrs. Greenaway erinnert sich nur noch daran, daß sich eine der Stimmen gebildet und professoral angehört hat. Zugegeben, sehr viel weiter kommen wir damit nicht. Allenfalls steht jetzt fest, daß das Gespräch nicht zwischen Quinn und Roope stattgefunden hat. Aber das wußte ich schon, Lewis, denn ich wußte, daß Quinn schon mehrere Stunden tot gewesen sein mußte, als von Quinns Zimmer aus telefoniert wurde.«
    »Da hat er ja Glück gehabt, daß Mrs. Greenaway nicht –«
    Morse nickte. »Ja. Aber kein Glück ist

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