Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
bewußten Wahrnehmung –, wie der City-Korrespondent der BBC über die Schwankungen des Kurszettels in der Financial Times und das Schicksal des floatenden Pfundes berichtet. Er selbst hat keine Geldsorgen. Nein, wahrhaftig nicht.
Der Mann vor dem Haus hält Wache, wie schon seit dreieinhalb Stunden. Seine Füße sind naß und kalt. Er sieht auf die Leuchtziffern seiner Uhr. 17 Uhr 40. Zwanzig Minuten bis zur Ablösung. Noch immer keine Bewegung – nur der Schatten, der immer wieder hinter dem Fenstervorhang vorbeizieht.
Wenn Schlaf als Erschlaffen des Bewußtseins definiert werden kann, schläft der Mann im Haus in dieser Nacht nicht. Früh um sechs ist er bereits wieder angezogen und wartet. Um 6 Uhr 45 hört er draußen auf der dunklen Straße das Klappern von Milchflaschen. Doch noch immer wartet er. Erst um 7 Uhr 45 kommt der Zeitungsbote mit der Times. Es ist noch immer dunkel, und die kleine Transaktion ist schnell abgewickelt. Unkompliziert und ohne Zeugen.
Der Mann vor dem Haus hat fast die Hoffnung aufgegeben, als um 13 Uhr 15 die Tür aufgeht, ein Mann herauskommt und ohne Eile in Richtung Oxford davongeht. Der Mann draußen schaltet auf Sendung und spricht in sein Funkgerät. Dann schaltet er auf Aufnahme. Die Anweisung ist kurz und knapp. »Folgen Sie ihm, Dickson. Und passen Sie auf, daß er Sie nicht sieht.«
Der Mann aus dem Haus geht zum Bahnhof, sieht sich um und betritt den Wartesaal. Er bestellt eine Tasse Kaffee, setzt sich ans Fenster und sieht hinaus auf den Parkplatz. Um 13 Uhr 35 fährt langsam ein Wagen vorbei. Ein bekannter Wagen, der den Hang zum Parkplatz hinunterrollt. Die automatische Schranke hebt sich, der Wagen steuert die hinterste Ecke der Parkfläche an. Der Parkplatz ist fast voll. Der Mann im Wartesaal setzt seine halbgeleerte Tasse ab, zündet sich eine Zigarette an, legt das abgebrannte Streichholz ordentlich in die Schachtel zurück und geht hinaus.
Um 14 Uhr hält das junge Mädchen in dem braunen Kleid es nicht mehr aus. Auch die wenigen Gäste mustern ihn schon seit einiger Zeit recht eigentümlich. Sie kommt hinter der Theke hervor und tippt ihm auf die Schulter. Er ist höchstens mittelgroß. »Entschuldigen Sie, Sir. Aber möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
»Nein, bringen Sie mir einen Tee, bitte«, sagt er liebenswürdig, und als er den starken Feldstecher absetzt, sieht sie, daß er hellgraue Augen hat.
Kurz nach fünf kommt Lewis nach Hause. Er ist müde, und seine Füße sind Eisklumpen.
»Bleibst du jetzt hier?«
»Ja, Schatz, Gott sei Dank. Ich bin total durchgefroren.«
»Dieses Ekel Morse will dir wohl eine Lungenentzündung anhängen, was?«
Lewis hat verstanden, was seine Frau gesagt hat, aber er denkt an etwas anderes. »Ein Schlitzohr, dieser Morse, alles, was recht ist. Aber ob er diesmal richtig liegt …« Doch seine Frau hört nicht mehr hin, und Lewis vernimmt das hochwillkommene Klappern der Bratpfanne in der Küche.
27
Am Mittwoch vormittag legte Morse in der Geschäftsstelle des Verbandes Bartlett ganz offen dar, daß es bei der Durchführung der Prüfungen mit größter Wahrscheinlichkeit zu kriminellem Mißbrauch gekommen war. Insbesondere äußerte er den Verdacht, daß Prüfungsfragen unerlaubt nach Al-jamara weitergegeben worden waren, und reichte Beweisstück Nummer 1 über den Tisch.
»Lieber George,
herzliche Grüße an alle in Oxford. Schönen Dank für Dein Schreiben und für das Sommer-Prüfung-Päckchen.
Melde- und Gebührenformulare sind angeblich bereit zum endgültigen Versand an den Verband für Freitag, den 20., oder allerspätestens, wie man mir sagt, den 21.
Hier klappt’s jetzt besser, doch ist dem Chaos noch immer Tür und Tor geöffnet, wenn man nicht aufpaßt. Aber in zwei, drei Jahren werden wir’s Euch schon zeigen. Bitte sieh zu, daß Änderungen der Prüfungsordnung nicht sofort vorgenommen werden, das könnte das Projekt total vernichten.
Schöne Grüße …«
Bartlett las stirnrunzelnd, dann blätterte er kurz in seinem Schreibtischkalender. »Das ist – äh – doch alles Unsinn. Die Meldeformulare mußten bis zum 1. März bei uns sein. Wir machen das jetzt über Computer, und alles, was nach –«
»Sie meinen, daß die Meldeformulare aus Al-jamara schon da waren, als der Brief geschrieben wurde?« fiel ihm Morse ins Wort.
»Aber ja. Sonst hätten wir die dortigen Kandidaten ja nicht prüfen können.«
»Und die haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher